Mein 2019: Lieblingskonzerte

10 – George Ezra, Leipzig, 5. Mai
Der Boy aus Bristol ist zum Superstar geworden. Und legt eine abendfüllende, familienkompatible Show hin, die irgendwo zwischen liebenswürdig und kitschig, sympathisch geerdet und dennoch leicht überdimensioniert einzuordnen ist. Am Ende gehen alle glücklich nach Hause und es bleibt die Gewissheit: dieser unheimlich nette George, der kann was.

9 – Cub Sport, Hamburg, 6. Februar
Versponnener Keyboard-Dream-Pop? Eigentlich nicht so meine go-to-Musikfarbe. Aber vielleicht hat mich die Show der australischen Band gerade deshalb so in ihren Bann gezogen. Große Melodien, ganz große Gefühle. Sänger Tim Nelson ist ein Superstar – noch mag das hierzulande nur für die Gay- oder Indie-Szene gelten. Aber es ist gewiss nur eine Frage der Zeit, bis Bühnen und Fanmengen größer werden.

8 – Gisbert zu Knyphausen, Leipzig, 29. Juni
Einer meiner Lieblingssongschreiber auf der Lieblings-Open-Air-Bühne der Stadt – die Voraussetzungen dafür, dass das ein wunderbarer Spätjuniabend werden dürfte, waren ideal. Gisberts Band und er wirkten auf mich eingespielter und harmonischer als zuletzt; die Stimmung bei Musikern wie Publikum war prächtig. So wurde es schließlich der ersehnte harmonisch-melancholische Sommerauftakt für alle Beteiligten.

7 – Christian Kjellvander, Hamburg, 5. Februar
Der umtriebige Schwede kam mit seiner Band in die Hamburger Livemusik-Institution Knust, um sein achtes Album „Wild Hxumans“ zu präsentieren. Eine beeindruckende Angelegenheit: Kjellvanders sonor-geheimnisvoller Gesang erinnert an Lou Reed und Jim Morrison, die Musik ist tempoarm, aber wuchtig. Wintermusik im besten Sinne – und zwar ganz große.

6 – Faber, Leipzig, 26. November
Der Skandalknabe aus der Schweiz wird wohl einer der großen Abräumer 2020. Gleich zwei Mal will er hier das Haus Auensee ausverkaufen, gleich zwei große bundesweite Touren im Frühjahr und Herbst wird es zu seinem zweiten Album geben. Beim Vorab-Gig im lauschigen Naumanns demonstriert Faber, wie er auch in Duo-Besetzung einen Saal zum Ausrasten bringt. Zynischer Songwriter-Pop mit Weltmusikeinschlag – so eine Nische muss man erst mal finden, sich zu eigen machen und besetzen. Faber hat’s geschafft.

5 – Jan Plewka & Marco Schmedtje, Hamburg, 8. Februar
Mein zweites „Behind the Bars“-Konzert der beiden Herren, diesmal in ihrer norddeutschen Heimat. Und die zwei unweit der Reeperbahn zu erleben, wie sie ihre heimelige, herrlich gefühlsduselige „Wir-ziehen-wahllos-Songs-aus-dem-Hut“-Show durchziehen, ist ein ganz besonderes Vergnügen. Wir hören Songs von Rio Reiser, Simon & Garfunkel und eigene Stücke und glauben später, an der Bar, alle gemeinsam wieder etwas mehr an das Gute im Menschen.

4 – Dave Matthews Band, Berlin, 23. März
Nach vier langen Jahren ziehen DMB wieder durch Europa, in diesem Jahr natürlich, um ihr aktuelles Album „Come Tomorrow“ zu promoten und die mit Keyboarder Buddy Strong in veränderter Besetzung aufspielende Band zu präsentieren. Drei Konzerte durfte ich erleben und damit eine Band in Top-Form bewundern. Am eindrücklichsten war die Show in Berlin – was an den 1-A-Sitzplätzen quasi über der Bühne und an der unfassbar großen Spielfreude der Matthewsschen Mannschaft gelegen haben dürfte.

3 – Niels Frevert, Dresden, 17. Oktober
Meine Güte, hat mir Niels Frevert gefehlt! Fünf Jahre hat er sich für’s Album „Putzlicht“ Zeit gelassen. Aus einer musikalischen und persönlichen Krise kommt er gestärkt zurück. Live bedeutet das vor allem: er rockt wie seit Jahr(zehnt?)en nicht mehr. Seine Band ist perfekt aufeinander abgestimmt, die Setlist überzeugt mit einem fairen Mix aus Neuem und Altem. Niels fliegt die Liebe des Publikums nur so zu und er genießt die Ovationen sichtlich. Erstaunlich: das alles funktioniert auch in abgespeckter Trio-Besetzung, wie ich ein paar Wochen später in Leipzig erleben durfte. Schön, dass Du wieder da bist, Niels.

2 – Dawes, Köln, 1. November
Ebenfalls eine kleine Ewigkeit ist es her, dass Dawes für ein paar Shows in Europa waren. Ich habe sie auf der Tour in Berlin und Köln erlebt und stimme all denen zu, die diese vier Herren für einen der stärksten Live-Acts unserer Zeit halten. Großes Songwriting, famose Performance, euphorisches Publikum. Der für mich größte Moment: das epische „Peace In The Valley“ im Kölner Artheater.

1 – Sinéad O’Connor, Berlin, 8. Dezember
Hätte mir jemand Anfang 2019 gesagt, dass ich noch am Ende desselben Jahres Sinéad O’Connor auf einem umjubelten, ausverkauften Konzert in Berlin erleben würde, ich hätte ihm oder ihr wohl einen Vogel gezeigt. Mit größter Sorge nahm ich all die Schlagzeilen der letzten Jahre zur Kenntnis, ihre psychischen Probleme, die Zerwürfnisse mit Freunden und Familie, die Gerüchte über Suizidversuche und und und. Doch tatsächlich: es scheint ihr wieder gut zu gehen. Gestärkt durch eine neue Band, ein neues Management und eine neue spirituelle Heimat (sie ist jetzt Muslima), setzt sie musikalisch dort an, wo sie vor ihrer Zwangspause seit 2015 war – mit einer frenetisch gefeierten Performance, die einen gelungenen Querschnitt durch ihr gesamtes Oevre liefert. Der Unterschied zu „damals“? Heute wirkt Sister Sinéad gelöst und gestärkt. Ihre Stimme ist dabei in Bestform: glasklar, druckvoll, mal markerschütternd, mal engelsgleich, immer magisch.

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Lieblingskonzerte 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2019: Lieblingsalben

10 – Bon Iver – i,i
Nicht ganz so verkopft wie der brilliante Vorgänger. Eingängiger, direkter – dafür auch etwas weniger wuchtig, etwas weniger beeindruckend: „i,i“ wirkt stellenweise wie ein Bon-Iver-Best of. Zumindest finde ich mich in Justin Vernons Klanguniversum zwischen Samples, Jägerhüttenfolk und skurilem 80s-Saxofon inzwischen ziemlich problemlos zurecht und fühle mich dort auch entsprechend gut aufgehoben.

9 Chris Robinson Brotherhood – Servants Of The Sun
Ach, Neal Casal. Dass er nicht mehr da ist, ist das mieseste an diesem Musikjahr. Im Frühjahr erschien noch „Servants Of The Sun“ – ausgelassener, spielfreudiger Gniedel-Freak-Rock, so tanzbar und leicht, wie man das zuletzt kaum noch von der „Brotherhood“ kannte. Chris, Neal, Adam und die anderen gut gelaunt und bester Dinge. Mögliche Erklärung: „Servants“ wurde über ein Jahr zuvor eingespielt, seitdem muss viel passiert sein. Dann ein Horror-Sommer: erst schickt Robinson im Sommer die Bruderschaft in eine Dauerpause, später die Nachricht vom Suizid Casals. Schließlich folgt eine halbgare Black-Crowes-Reunion mit irgendwelchen hired guns. Was zum…?! Was bleibt, ist tolle Musik in einem tragisch-traurigen Kontext.

8 Mavis Staples – We Get By
Blues- und Soullegende Mavis Staples ist in diesem Jahr achtzig Jahre alt geworden. Ben Harper, der bereits mehrfach mit der Staple-Singers-Frontfrau zusammenarbeitete, schneidert ihr als Geburtstagsgeschenk ein fantastisches Album auf den Leib. Zeitlose, aufrichtige, kämpferische Musik, die frischer und aktueller gar nicht sein könnte.

7 Harry Styles – Fine Line
Spät im Jahr erobert sich Ex-One-Direction-Harry noch einen Platz in meinen Jahrescharts und in den Herzen von Millionen von Fans. Es ist, wie es ist: dieser Typ singt einfach mal klasse und macht bei unzähligen Promotionauftritten von SNL bis James Corden auch schauspielernd und palavernd eine bella figura. Doch das wichtigste ist die Musik, und die passt; für einen Popstar erstaunlich erdig, kernig, authentisch, dabei aber immer eingängig, smart und sexy.

6 The Tallest Man On Earth – I Love You. It’s A Fever Dream
Bester Albumtitel des Jahres. Aber auch sonst: Kristian Matsson alias The Tallest Man On Eartn liefert in diesem Jahr sein bisher stimmigstes Album ab. Ganz ohne große Band; Gitarren, Gesang und hier und da mal Klavier, Mundharmonika und Streicher stehen im Mittelpunkt. Wahrscheinlich hat er diesen Vergleich inzwischen mächtig satt, aber natürlich erinnert diese Platte an den jungen Dylan. Gleichzeitig hat Matsson aber auch über die Jahre seinen ganz eigenen, seltsam versponnenen Sound erschaffen. Muss man erstmal hinkriegen, Epigone und Stilbildner auf einmal zu sein.

5 The Highwomen – The Highwomen
Wer hier zum ersten Mal von den Highwomen liest, möge sich bitte schnell in die Thematik einarbeiten (Highwaymen mit Cash und Co, männerdominiertes Country-Business, Feminismus usw.). Schon so ist dieses Album ein stimmgewaltiger Volltreffer. Mit dem Wissen darum, dass hier vier Damen mal eben die komplette, nach wie vor arg rückschrittliche Country-Welt aufmischen, macht’s gleich nochmal so viel Freude, ihnen dabei zuzuhören.

4 Eric Schenkman – Who Shot John?
Als Hardcore-Fan der Spin Doctors könnte ich ja so einige kritische Fragen stellen: warum machen die alle ständig Soloplatten, obwohl sie regelmäßig zusammen touren? Warum hat Eric fünf dieser zehn Songs in den letzten zehn Jahren schon in anderen Versionen veröffentlicht und verkauft sie nun als neu? Und was für eine dreiste 1:1-Kopie eines eigenen Songs ist denn bitteschön „Far Away“. Denkt Mr. Schenkman etwa, wir hätten nie „If The River Was Whiskey“ gehört? Aber wie auch immer: dieses Album ist halt trotzdem der Hammer, macht Spaß, ist funky, ungestüm, voller Spielfreude. Und jetzt aber mal wieder ab ins Studio mit den anderen Doctors. Bitte!

3 Better Oblivion Community Center – Better Oblivion Community Center
Das Jahr ging schon gut los: ohne viel Vorab-Promo trat das Better Oblivion Community Center in unser Leben. Phobe Bridgers und Conor Oberst machen gemeinsame Sache und liefern ein wunderbares Album ab, das sich musikalisch irgendwo zwischen Indierock, Folk und Pop bewegt.

2 Niels Frevert – Putzlicht
Was für eine triumphale Rückkehr nach ein paar Jahren der Pause, der künstlerischen Krise, des Unter-dem-Radar-Bleibens: Niels Frevert ist wieder da. Was soll ich groß schreiben über diesen von vorne bis hinten gelungenen großen Wurf? „Putzlicht“ macht mich einfach glücklich.

1 Trey Anastasio – Ghosts Of The Forest
Trey Anastasio verarbeitet auf diesem Soloalbum den Verlust seines Freundes Chris Cottrell, den er seit Kindertagen kannte und der 2018 einem Krebsleiden erlag. Anastasio gelingt dabei ein erstaunlich hoffnungsvoller Songzyklus, der all das vereint, was man am Phish-Sänger und -Gitarristen über die Jahrzehnte schätzen gelernt hat: sein lyrisches Talent. Seine Gabe, in Gitarrensoli ganze Geschichten zu erzählen. Seine Vorliebe für das Brechen von Erwartungen und Konventionen in Sachen Songstruktur und Klang. Ganz, ganz groß.

Meine zehn Lieblingsalben 2019 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

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Lieblingsalben 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2006, 2005, 2004.

Mein 2018: Lieblingsalben

10 The Decemberists – I’ll Be Your Girl
Spätestens in diesem Jahr hat dieser back-to-the-80s-Trend auch Acts erreicht, die ich normalerweise gerade dafür schätze, dass sie ganz und gar nicht nach den Achtzigern klingen: Dawes, Josh Rouse – und auch The Decemberists. Die Folkrocker aus Portland spielen auf „I’ll Be Your Girl“ mit Synthie-Arpeggios, Flanger-Drums, Saxophon-Solos, Fretless-Bässen und U2-Gitarren. Liest sich, als wäre das Musik zum Wegrennen. Doch auf wunderbare Weise funktioniert dieser Klang-Ausflug. Was an den starken Songs liegt („Cutting Stone“, „Sucker’s Prayer“ oder das geniale „Russalka, Russalka / The Wild Rushes“). Und daran, dass Colin Meloy & Co. diese Soundelemente stets gezielt und geschmackssicher einzusetzen wissen.

9 Van William – Countries
„Was sind das bloß für Menschen die Beziehungen haben / Betrachten die sich denn als Staaten?“ Diese Zeile von Heinz-Rudolf Kunze kommt mir in den Sinn, wenn ich an das Solo-Debüt von Ex-Port O’Brien-Sänger Van William denke. Auf „Countries“ verarbeitet der Fischersohn aus Alaska unter anderem das Ende einer sechsjährigen, naja… Beziehung und benutzt genau das gleiche Bild: ihn fessele die idea of two people in a relationship acting as separate countries, hat er in einem Interview gesagt. Mehr noch, er schlägt sogar den ganz großen Bogen zur Politik und vergleicht derart Zwischenmenschliches mit dem aktuellen politischen Klima in den USA. Was die Platte so charmant macht: diese inhaltliche Schwere hört man den im sonnigen Kalifornien aufgenommenen Songs kaum an – ein faszinierender Kontrast.

8 Ben Harper & Charlie Musselwhite – No Mercy In This Land
Wie relevant Blues als Protestmusik im Jahr 2018 ist, beweisen Ben Harper (Gitarre, Gesang) und Charlie Musselwhite (Mundharmonika, Gesang) auf ihrem zweiten gemeinsamen Album: sie besingen wütend die Flüchtlingspolitik der aktuellen US-Regierung, gehen gnadenlos mit der eigenen (überwundenen) Alkoholabhängigkeit ins Gericht, berühren mit Zeilen übers Älterwerden (Harper) oder gar den Mörder seiner Mutter (Musselwhite). Handwerklich sind die zwei und ihre Mitmusiker freilich über jeden Zweifel erhaben und die nahezu komplett live im Studio eingespielten Stücke klingen durchweg beseelt und zutiefst authentisch.

7 Lawrence – Living Room
Was für ein Jahr für die Geschwister Clyde und Gracie Lawrence und ihre Band! Ausverkaufte Konzerte, Touren durch die Vereinigten Staaten und Europa, ein erster Auftritt in einer landesweiten Late-Night-TV-Show. Vor allem aber: die Sache mit dem schwierigen zweiten Album souverän gemeistert. „Living Room“ bringt einerseits mehr von diesem gut gelaunten Funk-Pop, mit dem Lawrence sich einen Namen gemacht haben. Andererseits ist da eine neue Reife und Tiefe hörbar, der Mut zur Reduktion, zum Detail. Was die Sache gleich noch viel interessanter macht.

6 Dave Matthews Band – Come Tomorrow
Was für ein Jahr aber auch für Dave Matthews und sein Millionenunternehmenseine Band! Erst der Rausschmiss von Geiger Boyd Tinsley, der sich vor Gericht dem Vorwurf der sexuellen Nötigung stellen muss. Dann die erste Tour seit 2016, und das ohne Gründungsmitglied Tinsley, dafür mit dem neuen Keyboarder Buddy Strong. Und zwischen all dem stand da noch die Fertigstellung des lang erwarteten neunten Albums der Dave Matthews Band auf der To-Do-Liste. „Come Tomorrow“ ist ein Sammelsurium aus verschiedenen zwischen 2006 und 2017 abgehaltenen Aufnahmesessions, mit vier Produzenten und wechselnden Musiker-Line-Ups. Hätte also auch mächtig schief gehen können, hat aber geklappt. Matthews und seine Kollegen klingen auf „Come Tomorrow“ verblüffend zeitgemäß; live soll die Band in diesem Sommer eine Sensation gewesen sein.

5 Isaac Gracie – Isaac Gracie
Die Musik des langhaarigen Londoners ist absolut nicht innovativ oder revolutionär. Aber sie ist sagenhaft gut. Isaac Gracie sieht aus, als hätten wir noch 1993, doch er schreibt und singt im besten Sinne zeitlose Songs – über sich selbst, die Liebe, den Alkohol, über Hoffnung und Verzweiflung. Mal erinnert er mich an Nick Drake, mal an Jeff Buckley, was ja nicht die schlechtesten Assoziationen sind. Trotzdem ist da ein eigenständiger Gracie-Sound, eine durchaus selbstbewusste Haltung; für’s bloße Zitieren oder Nachahmen ist er viel zu clever und versiert. Meine persönliche Singer-/Songwriter-Entdeckung des Jahres.

4 Dawes – Passwords
Mir war vollkommen klar, dass der Nachfolger zu „We’re All Gonna Die“ ebendieses Meisterwerk im Dawes-Katalog nicht würde toppen können. Muss es auch gar nicht. Dafür sind die einzelnen Alben der Band zu verschieden, auch erwarte ich von keiner Band, dass sie sich ständig überbieten muss. Tatsächlich ist „Passwords“ ziemlich anders als „We’re All Gonna Die“. War die 2016er Platte sowas wie der perfekte Soundtrack für einen Nachmittag mit Freunden am Strand, so ist die 2018er eher Musik für einen Winterabend mit Scotch und schweren Gesprächen. Dawes verhandeln auf „Passwords“ die ganz großen Themen wie gesellschaftlichen Zusammenhalt, ewige Liebe und technischen Wandel und packen dies in ein synthesizerlastiges, geradezu spaciges Klanggewand. Und machen damit mal wieder alles richtig.

3 Pinegrove – Skylight
Warum Pinegrove seit Herbst 2017 eine knapp einjährige Zwangspause eingelegt haben, lässt sich nicht kurz und knapp erklären, dafür aber in aller Ausführlichkeit nachlesen. Schön, dass die Band seit September wieder „da“ ist und „Skylight“ nun doch erschienen ist. Wie keine andere Band mixen Pinegrove Indie-Rock und Alternative Country. Verblüffend, wie viel Tiefe und Seele auch in diese Anderthalbminüter passen, die sie immer wieder zwischen ihren längeren Songs einstreuen. Nach wie vor: das Kollektiv um Evan Stephens Hall hat eine große Zukunft vor sich.

2 Blues Traveler – Hurry Up & Hang Around
Blues Traveler-Fans mussten in letzter Zeit sehr geduldig sein – erst wurde das im Mai 2017 eingespielte Album für den Herbst des gleichen Jahres angekündigt. Dann für Januar 2018. Dann für Juni 2018. Nur, um es im Mai auf den Oktober zu verschieben. Doch dann kam es wirklich, und für die Warterei wurde man bestens entschädigt. Kaum zu glauben, dass dies der Output einer Band ist, die bereits mehr als 30 gemeinsame Jahre auf dem Buckel hat. Die Zeit der Songwriting-Kooperationen und Soundexperimente ist erstmal vorbei. Lustigerweise hat uns genau das das inspirierteste und selbstbewussteste Blues Traveler-Album seit vielen Jahren beschert.

1 Brandi Carlile – By The Way, I Forgive You
Die Geschichten, die Brandi Carlile auf diesem Album erzählt, berühren mich zutiefst. Das geht mit der Titelzeile los, gerichtet an jenen Pastor, der sich weigerte, Brandi im Teenageralter zu taufen, weil sie schon damals offen mit ihrer Homosexualität umging. Da ist „The Mother“, in dem sie die Liebe zu ihrer Tochter Evangeline besingt. Da ist aber auch die Story von „Sugartooth“, der den Drogen nicht entsagen konnte. Und und und. Dass Carlile zu den ganz großen Sängerinnen unserer Zeit gehört, war ja lange klar. „By The Way, I Forgive You“ ist ihr bisheriges Meisterwerk. Und das Herzergreifendste, was ich in diesem Jahr hören durfte.

Meine zehn Lieblingsalben 2018 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

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Mein 2017: Lieblingskonzerte

10 – Dave Matthews & Tim Reynolds, Berlin, 30. März
Für manche sind Dave-und-Tim-Shows eine Art Methadon, wenn sie kein „richtiges“ Dave-Matthews-Band-Konzert kriegen können. Andere sehen in den Duovorstellungen eher das Extrakt des Matthews’schen Schaffens. Für mich war’s ein toller Dreistunden-Ritt durch ein inzwischen beachtliches Repertoire und eine große Freude, Herrn M. überhaupt mal wieder zu Gesicht und Gehör zu bekommen.

9 – Gisbert zu Knyphausen, Leipzig, 30. Oktober
Einen Tag nach diesem Konzert musste zu Knyphausen wegen Stimmproblemen den Rest seiner Tour verschieben. Man merkte dem Sänger deutlich an, dass er nicht auf der Höhe war. Dennoch lieferte er mitsamt neuer Band ein beeindruckendes, aber erstaunlich düsteres Set ab. Nach der Show vernahm ich geteilte Meinungen: nicht wenige vermissten den „Lagerfeuer-Gisbert“ und eine intimere Atmosphäre. Mir hat’s sehr gefallen, weil es eben nicht gefällig, sondern fast schon sperrig war. Steht ihm gut, dem Gisbert!

8 – Die Fantastischen Vier, Leipzig, 25. Januar
Unglaublich, wie viele Hits diese Herren schon hatten. Und dann dieses Publikum aus allen Altersklassen – das schaffen sonst wohl nur Die Ärzte. Und ja, super Show. Und natürlich bleiben alle troy und kommen beim nächsten Mal wieder.

7 – Jan Plewka & Marco Schmedtje, Leipzig, 5. April
Der perfekte Geburtstagsabend: Selig-Sänger und Spannemann geben ihr „Between-the-Bars“-Impro-Programm zum Besten (hier zieht das Publikum die aufzuführenden Songs aus einem Lostopf. Oder war’s ne alte Socke?) und für mich isses quasi die Geburtstagsfeier. Mein Zustand: selig; no pun intended.

6 – Bilderbuch, Leipzig, 31. März
Der Hype ist vorbei, der Erfolg bleibt: Bilderbuch hat sich ein Publikum erspielt, das der Band auch nach dem doch eher sperrigen „Magic Life“-Album gewogen bleibt. Live funktioniert das neue Material fast noch besser und so ist ein Abend mit Bilderbuch einfach ein riesengroßer Spaß für alle Beteiligten.

5 – Stu Larsen & Jed Appleton, Stuttgart, 8. Oktober
Die beiden Australier hab ich zweieinhalb Jahre zuvor schon mal in England erlebt. Diesmal nun also vor größerem Publikum, in einem größeren Rahmen. Nicht alle waren von den beiden Soloperformances restlos überzeugt. Ich habe gestaunt, wie stark sich beide Musiker weiterentwickelt haben und denk gern an diese Show in Stuttgart zurück.

4 – Gov’t Mule, Berlin, 3. November
Unmöglich, dieses magische 2016er Konzert am gleichen Ort zu toppen. Aber auch gar nicht nötig. Dank zuverlässig wechselnder Setlists zauberten Haynes und Co. auch diesmal wieder eine ganz individuelle, einmalige, zu Ort, Moment und Publikum passende Grundstimmung – und lieferten dabei natürlich Qualität vom ersten bis zum letzten Ton.

3 – Regina Spektor, Berlin, 14. August
Nach zehn Jahren endlich mal wieder Regina live. Einnehmend, fordernd, verschroben, herzlich. Perfekte Sicht aus der dritten Reihe. Am Ende war ich irgendwas zwischen verliebt und verstört, jedenfalls schwer angetan – Regina Spektor spielt nach wie vor in einer ganz eigenen Liga.

2 – Die Höchste Eisenbahn, Leipzig, 22. Juli
Parkbühne Eutritzsch, Du Schönheit. Kriegst mich immer wieder. Und dann auch noch Die Höchste Eisenbahn in vorzüglichster Spiellaune. Ein klasse Sommerabend!

1 – Conor Oberst, Dresden, 5. August
Diese! Unfassbare! Hitze! Noch nie kam ich derart durchgeschwitzt aus einem Konzert wie aus diesem. Nicht, weil ich sonderlich viel getanzt hätte. Sondern weil das Beatpol an diesem Abend der wohl schwülste Ort der Welt war. Aber egal. Was Conor Oberst und seine mit Teilen der Felice Brothers bestückte Band hier abgeliefert haben, war sensationell – einmal quer durchs Oberstsche Schaffen, Bright Eyes und Unveröffentlichtes inklusive. Und danach fröhliches Fachsimpeln mit von weither angereisten Hardcore-Fans. Ach, wundervoll.

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Lieblingskonzerte 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2017: Lieblingsalben

10 Garish – Komm schwarzer Kater
Erstmals aufgefallen sind mir Garish 2004 mit ihrem Album „Absender auf Achse“. Songs wie „Einmal aus dem Nest gefallen findet man nicht mehr“ klangen faszinierend, ein wenig verspult und seltsam – wunderbar also! Auch alle weiteren Garish-Veröffentlichungen waren interessant, hörenswert, jeweils besonders. Dieses Mal haben sie mich aber so richtig gekriegt. „Komm schwarzer Kater“, das siebente Album der Österreicher, quillt geradezu über vor tollen Melodien, detailversessenen Arrangements und famosen Texten irgendwo zwischen plakativ und poetisch. Zehn Songs, zehn Ohrwürmer – das muss man erstmal hinkriegen.

9 John Mayer – The Search For Everything
Nein, das erhoffte „Continuum 2.0“ ist „The Search For Everything“ nicht geworden. Dennoch war es ein cleverer Zug von John Mayer, der dieser Tage auch bei Dead & Company dem Werk Jerry Garcias huldigt, die Leute, die für sein bislang gelungenstes Studioalbum verantwortlich waren, nach über zehn Jahren wieder um sich zu scharen. Mayer und sein Team komponieren geschmackvoll, performen makellos und liefern eine technisch über jeden Zweifel erhabene Produktion ab. Gern hätte es etwas mehr Gitarre und etwas weniger Puderzucker sein dürfen, insgesamt überzeugt „The Search For Everything“ aber auf ganzer Linie.

8 Rhiannon Giddens – Freedom Highway
Frau Giddens trat in mein Leben als Mitglied der „New Basement Tapes“ im Jahr 2014: was für eine Stimme! Seit Ewigkeiten macht die Musikerin aus North Carolina bereits Musik, und doch ist „Freedom Highway“ erst ihr zweites Soloalbum. Ergreifend, wie sie Folk und Blues ins Hier und Heute holt, wie sie in die lange amerikanische Songwriter-Tradition eintaucht und diese mit eigenen Geschichten und Beobachtungen fortschreibt. Eine Platte, in der man sich verlieren kann – traumhaft schön, aber dennoch mit Biss und reichlich Ecken und Kanten.

7 John Moreland – Big Bad Luv
Gar nicht sooo weit Weg von Rhiannon Giddens ist John Moreland – auch ihm tut man nicht Unrecht, wenn man seine Musik im Bereich Americana / Alternative Country ansiedelt. Moreland ist dabei aber eher am Singer-/Songwriter-Ende dieses Spektrums zu Hause als im folkloristischen Bereich. Die eingängigen, bisweilen fast lieblichen Melodien auf „Big Bad Luv“ stehen im krassen Gegensatz zu Morelands Texten, die von häufig von Schmerz, Leid und unerfüllter Liebe erzählen. Ein melancholisches Meisterwerk.

6 Conor Oberst – Salutations
Bei seinen Backingbands macht Conor Oberst keine Kompromisse – 2014 begleiteten ihn die wunderbaren Dawes auf Tour und waren Vorband und Mitmusiker in einem. Diesmal hat sich der Bright-Eyes-Erfinder für sein neues Album die nicht minder wunderbaren Felice Brothers ins Studio geholt. Noch so ein match made in heaven. Die starken Songs, zum Teil bereits bekannt durch das introvertierte Vorgängeralbum „Ruminations“, kommen in üppigen und quietschfidelen Folkrock-Arrangements daher und ergeben zusammen die bislang bestgelaunte Oberst-Soloplatte, ohne dabei irgendwelche Kompromisse in Sachen Qualität zu machen.

5 Portugal. The Man – Woodstock
Portugal. The Man haben sich vier Jahre Zeit gelassen, bevor sie uns 2017 statt der siebenten Auflage ihres bewährten und geschätzen Indie-Rocks erstmals ihre Version von Blockbuster-Popmusik vorstellten. Ein Teil der Fans schrie „Sellout“, doch der Rest der Welt verliebte sich in Songs wie „Feel It Still“ und „Live In The Moment“, die zu Hits des Jahres wurden. „Woodstock“ macht Riesenspaß und ich finde es bemerkenswert, wie gut der Spagat zwischen Altem und Neuem gelungen ist – man erkennt die Band sofort, und doch klingt sie anders als bisher – auf gute Art zeitgemäßer. Hut ab!

4 Declan McKenna – What Do You Think About The Car
Heiligabend wird Declan McKenna 19 Jahre alt. In den letzten zwölf Monaten jazzte ihn die britische Musikpresse zur „Stimme seiner Generation“ hoch und freute sich, endlich einen neuen Indie-Posterboy zu haben. Clever, wie sich der selbstbewusste Teenager diesen Erwartungshaltungen entzog: er wolle doch nur Musik spielen, die Leute sollen mal nicht so ein Gewese um ihn machen. Und das Album brauche halt noch etwas Zeit, also nimmt er sich die. Tatsächlich: nähert man sich McKenna ganz ohne Hype, bleibt ein Ausnahmetalent mit einem hammerguten Debütalbum übrig. Herz, was willst Du mehr.

3 Phoebe Bridgers – Stranger in the Alps
Wären das hier die späten neunziger oder frühen nuller Jahre, hätte man aus Phoebe Bridgers sowas wie die nächste Alanis Morissette machen können. Oder eine Folkversion von Avril Lavigne. Aber Gott sei Dank ist das hier 2017 und es versucht gerade keiner, diese junge Künstlerin aus L.A. in ein majorlabeltaugliches Klischee zu stecken. „Stranger in the Alps“ ist ganz, ganz große Singer-/Songwriterkunst, die sich aller möglichen Stile bedient und durch die sanfte, glasklare, doch an keiner Stelle beliebigen Stimme von Phoebe Bridgers zusammengehalten wird.

2 Chris Barron – Angels And One-Armed Jugglers
Wer hier regelmäßig mitliest, weiß längst, dass ich Chris Barron für einen der besten Songwriter unserer Zeit halte – in und außerhalb seiner Hausband Spin Doctors, die dieser Tage zwar regelmäßig tourt, aber seit vier Jahren keine neue Musik veröffentlicht hat. Stattdessen also ein weiteres Soloalbum. „Angels And One-Armed Jugglers“ gleicht einer Show-Revue voller großer und kleiner Kunststücke, Schmunzler, anrührender Momente und tiefgründiger Erkenntnisse. Unmöglich, sich an dieser Platte satt zu hören. Applaus!

1 Doc Robinson – Deep End
Zwei Dudes aus Columbus, Ohio. Noch weit, weit weg vom ganz großen Hype. Nach einer ersten EP das Debüt-Album. Sie nennen es „backyard BBQ breakup music“ und führen als wichtigste Einflüsse „Trennungen, lange Nächte, die gute alte Zeit, Poolpartys und den Sommer“ an. Pop, ordentlich versetzt mit Soul und R’n’B, aber auch auch einer Prise Folk. Nichts unerhört Neues, aber eben genau das Richtige, extrem entspannt und doch voller Spielfreude dargeboten. Und tatsächlich meine „Platte für alle Gelegenheiten 2017“: fürs Sonntagmorgenkaterfrühstück mit Freunden und Gartenpartys genauso wie für lange Zugfahrten durch den trübgrauen deutschen Herbst.

Meine zehn Lieblingsalben 2017 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

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Lieblingsalben 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2006, 2005, 2004.

Ocean Colour Scene – Saturday (2010)

Meinen letzten großen OCS-Moment hatte ich vor ziemlich genau einem Jahr: ich war in Liverpool, bin an einem nebligen Vormittag nach einer laaangen Nacht im Pub raus ans Meer gefahren und drei, vier Stunden am Strand entlang gelaufen – und hatte die ganze Zeit Fowler, Cradock & Co. auf den Ohren. In diesen paar Stunden ergab ihre Musik plötzlich mehr Sinn denn je, ihre Meilensteine wie „Moseley Shoals“ und „Marchin Already“ genauso wie die eher durchwachsenen Alben der letzten Dekade; in diesen paar Stunden Winter in England wurde mir klar, wie wichtig mir über die Jahre diese Band geworden ist.

Das ist zwölf Monate her, und eben haben Ocean Colour Scene ihr neues Album „Saturday“ veröffentlicht – und hier isser plötzlich, mein nächster großer OCS-Moment. Zum letzten Mal derartig auf Anhieb begeistert haben sie mich mit „North Atlantic Drift“, das muss 2003 gewesen sein. Was danach kam, war zwar mehr („On The Leyline“) oder weniger („A Hyperactive Workout…“) solide, nur ach, es fehlte die Magie früherer Platten. Das ist hier anders – die Jungs wirken so gelöst wie seit „Moseley Shoals“ nicht mehr, die Melodien sind groß, die Arrangements überraschen, auf die uptemposelige erste Hälfte folgt eine melancholische, zauberhafte zweite.

Kurz und gut: die neue Ocean Colour Scene klingt, als katerte ich mal wieder durch den Nebel der Liverpool Bay – und als gäbe es mal wieder keinen perfekteren Ort auf der Welt als diesen.

Calexico – Carried To Dust (2008)

Calexico haben also ein neues Album rausgebracht. Es gab mal Zeiten, da hätte mich diese Information riesig gefreut. Calexico, das war Musik, die nach fremden Orten klang, die man selbst nie besucht hat, aber vielleicht gerne mal besuchen würde. Das waren unerhörte Melodiebögen, originelle Arrangements, eine Ahnung von Lateinamerika gepaart mit amerikanischer und bisweilen europäischer Folklore und, ganz klar, Rock. Sicher sind das alles Qualitäten, die man „Carried To Dust“, dem neuen Album, auch bescheinigen könnte. Wenn man es nicht so enttäuschend langweilig, farblos und unspektakulär fände wie ich. Schade, ich mag Calexico wirklich – aber dieses Album bringt mich leider nur zum Gähnen.

Josh Fix – Free At Last (2008)

It’s so good it’s breaking my heart, singt er im bittersüßen Titelsong „Free At Last“. Damit trifft Josh Fix den Nagel auf den Kopf – und mit allem anderen auch.

Das Internet ist ne coole Sau, weil man ganz zufällig solche Sensationsalben wie dieses hier entdeckt: letzte Woche hab ich einen Track aus diesem Debüt im Netz gefunden und in meiner siebenSONGS-Reihe verlinkt. Noch am selben Abend habe ich mir das ganze Ding runterladen und bin seither hin und weg. Dieser Alles-Könner aus San Francisco hat ein derart übermütiges, pralles Album gemacht, dass ich aus dem Grinsen gar nicht mehr rauskomme – er klaut bei den Beatles und bei Queen, er tickt manchmal wie Ben Folds und manchmal wie die seligen Jellyfish, er schreibt Traumsongs und weiß in jeder Sekunde, was er tut.

Happy Ruhestand, Elton John; hau ab, Mika – Josh Fix macht jetzt Eure Jobs, und er macht sie besser als Ihr. Sommer, jetzt kannste kommen!

VIDEO 1: Making Of „Free At Last“

VIDEO 2: Don’t Call Me In The Morning

Jason Anderson – On The Street (2008)

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Was nix kostet ist nix wert? Diesen Spruch finde ich ja eh seltsam, und hier kommt mal wieder ein schöner Gegenbeweis. Jason Anderson aus New Hampshire verschenkt eine ganze EP („On The Street“) . Nicht vom eigenartigen Live-Intro abschrecken lassen; nach einer Minute kommen dann sieben Studioaufnahmen, die recht naturbelassen und direkt klingen. So sind „On The Street“ und „Omaha“ prägnante, rotzige Rocksongs, die Drums scheppern bisweilen etwas vordergründig, aber insgesamt ist die EP ganz schick und legt Todd Thibaud- und Bruce Springsteen-Assoziationen nahe. Ein Highlight ist „This Will Never Be Our Town“, weil es noch mal einen Zacken räudiger und aggressiver daherkommt als der gute Rest. Runterladen und selber hören: kost‘ nix, tut nicht weh, klingt gut.

Tobias Fröberg – Somewhere In The City (2006)

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Tobias Fröberg ist einer von den Musikern, über die der Rest der Welt offenbar schon seit Ewigkeiten Bescheid weiß. Nur ich hab offensichtlich den Gong nicht gehört und mir dieses geile Zeugs bisher durch die Lappen gehen lassen. Fröberg ist Schwede, beim 2006er „Somewhere In The City“ handelt es sich um sein zweites Album, inzwischen ist 2007 auch schon ein drittes erschienen. Das sind aber alles nur schöde technische Daten – auf die Musik kommt’s ja aber an. Die gewinnt ihre Größe durch clevere Sparsamkeit und eine ungezwungene Schönheit, die sich teilweise erst nach mehrmaligem Hören so richtig erschließt. Super Platte, für mich eine der Neuentdeckungen der letzten Tage. Und während ich das tippe, ist mir völlig klar, dass ich offensichtlich sooo 2006 sein muß, dass es fast schon weh tut.

Reinhören bei Myspace

Video: Tobias Froberg – On God’s Highway (Takeaway Show 33):