Mein 2022: Lieblingskonzerte

Harry Styles, Hamburg

An manchen Stellen fühlte sich dieses Konzertjahr wieder an wie vor der Pandemie: ich blicke auf viele schöne, intensive Abende zurück und freue mich, dass die Clubs und Säle wieder im Regelbetrieb geöffnet sind und Konzerte wieder zum Alltag dazugehören. Dennoch stelle ich einige Unterschiede zu „früher“ fest: ich hab den Eindruck, dass Bands aus den USA sich deutlich schwerer tun, im Moment nach Europa zu reisen und hier zu touren – Gründe gibt es viele, von der schweren Planbarkeit aufgrund gestiegener Produktionskosten über Hygieneauflagen und Coronarisiken bis hin zum akuten Personalmangel in der Branche.

Doch auch an mir selbst stelle ich eine Veränderung fest. Ich gehe derzeit seltener zu Konzerten, überlege länger beim Kartenkauf, verwerfe die ein oder andere Reiseidee, wo ich vor drei, vier Jahren keine Sekunde mit der Buchung gezögert hätte. Liegt’s am Älterwerden? Oder sind einfach zu wenige von „meinen“ Acts gerade unterwegs? Hab ich gerade andere Prioritäten? Mal schauen, wo da in der nächsten Zeit die (Konzert-)Reise hingeht. Eine Top 10 vermag ich auch in diesem Jahr nicht zusammenzustellen, sehr wohl will ich aber die Momente aufzählen, die für mich die schönsten Konzertabende 2022 darstellten.

Julia Pietrucha, Sopot

Da war im März Konstantin Wecker im Leipziger Gewandhaus, wir erlebten einen vom Krieg in der Ukraine tief bewegten Künstler, der sein Publikum einmal mehr mit klaren Worten und wunderschöner Musik begeisterte. Da waren Pinegrove im Hamburger Hafenklang, denen die Fans an den Lippen klebten und die ein an Intensität kaum zu überbietendes Set ablieferten. Da war Harry Styles im Hamburger Volksparkstadion, der 50.000 Menschen in Verzückung versetzte. Da waren Bright Eyes im Berliner Astra, die endlich ihr 2020er Album live präsentieren konnten und mich sprachlos machten – für mich die eindrücklichste Show des Jahres.

Aber auch die Counting Crows begeisterten mich mit ihrer bemerkenswerten Spielfreude. Obwohl ich die Musik der Band seit den Neunzigern höre und mag, war das Konzert im Berliner Huxleys für mich die Livepremiere. Ganz zufällig erlebte ich zudem den Auftritt von Julia Pietrucha auf dem Pier in Sopot mit – die polnische Sängerin hatte mit ihrem folkigen Pop genau die richtige Musik für einen nebligen Spätsommernachmittag am Ostseeufer parat und sorgte für einen perfekten Musikmoment, den man so kaum hätte vorher planen können.

Counting Crows, Berlin

Auch bin ich dankbar über all die Musik, die ich im Rahmen der Leipziger Abendlobe in der Propsteikirche hören und sehen durfte (ich gehöre zum Team, das die Reihe kuratiert). Nicht zu verachten auch einige Livestreams, etwa von Dawes, den Spin Doctors, Goose oder Pinegrove. Und auch die Handvoll eigener Gigs (mit 2zueins!, solo oder zusammen mit Robert Kratzsch im Handgemenge-Duo) haben großen Spaß gemacht.

Ein gutes Musikjahr also, vielleicht mit weniger Konzerten, als mir persönlich lieb gewesen wäre. Dafür waren die Shows, die ich gesehen habe, durch die Bank klasse. Für 2023 hängen bereits ein paar Tickets an der Pinnwand, die mich vorfreudig nach vorn blicken lassen. Bestimmt werden es noch ein paar mehr.

Bright Eyes, Berlin

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012201120102009.

Mein 2021: Lieblingskonzerte


Was hatte ich im letzten Jahr an dieser Stelle geschieben?

Ich wünsche mir sehr, dass sie bald zurück kommt, die Livemusik. Und dass ich im nächsten Jahr dieser Stelle wieder von wunderbaren Konzertmomenten schwärmen kann.

Das Foto ganz oben zeigt einen Ausschnitt aus meinem Feedreader, aus dem Ordner „Musik-Nachrichten“, Ende Dezember 2021. Eine US-Band nach der anderen cancelt ihre für Silvester geplanten Konzerte. Hier in Deutschland ist schon seit ein paar Wochen wieder weitestgehend Schluss mit Livemusik, die aktuelle Covid-Situation macht ein business as usal für Bands, Künstler*innen, Veranstaltungsagenturen, Bühnenarbeiter*innen u.v.a.m. nach wie vor unmöglich. Bei allem Verständnis für die dringend nötigen pandemieeindämmenden Maßnahmen: für viele Menschen, die im weitesten Sinne in der Unterhaltungsbranche arbeiten, ist die Lage erneut existenzbedrohend geworden.

Was für diese Leute an die Substanz geht, ist für Livemusikfreund*innen wie mich erstmal „nur“ schade: auch in diesem Jahr waren Live-Momente die große Ausnahme für mich, ich konnte nicht annähernd so oft wie „vor Corona“ zu Konzerten gehen, geschweige denn zu Konzerten reisen. Es fehlt mir ungemein, dieses Erlebnis, zusammen mit vielen anderen tollen Menschen beim Musikmachen zuzuschauen. Wie sehr ich das vermisse, spürte ich bei den paar Gelegenheiten, die sich dann doch im zurückliegenden Jahr ergaben:

In dieser herrlich entspannten Sommernacht auf der Koppel in Fraureuth etwa, in der Stoppok für uns aufspielte. Oder Ende August, als Gisbert zu Knyphausen und Kai Schumacher mit ihrem fantastischen „Lass irre Hunde heulen“-Franz-Schubert-Programm auf der Geyserhaus-Parkbühne in Leipzig gastierten. Oder bei diesem inspirierenden Orgelkonzert mit Prof. David Franke im Regensburger Dom.

Na klar, auch in diesem Jahr gab es Livestreams. Die wöchentlichen „Thirsty Thursday Happy Hours“ von Chris Barron haben mich sicher durch den Winter und das Frühjahr gebracht (Chris hat uns über ein gutes Vierteljahr hinweg ohne größere Wiederholungen mit mehr als 100 gespielten Songs einen Ritt durch sein gesamtes Oeuvre geschenkt, das war schon Weltklasse). Auch die wunderbaren Goose-Konzertmitschnitte bei Youtube haben mir das Jahr verschönert. Da waren auch noch Streams von – da isser wieder – Stoppok (sein legendärer Geburtstagslivestream im Februar war äußerst amüsant), Damien Dempsey, Dawes und zuletzt die Abschieds-Show von The Cat Empire. Und doch sind Livekonzerte auf dem Bildschirm für mich kein vollständiger Ersatz für das „echte Erlebnis“.

Bleibt zu hoffen, dass 2022 auch im Blick auf Livemusik besser wird als 2020 und 2021 – insbesondere für die, die in der Livebranche arbeiten und dringend wieder sowas wie Normalität im Job brauchen. Aber auch für Musikfreunde und passionierte Konzergänger*innen wie mich.

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Lieblingskonzerte 2020, 2019, 2018, 2017, 20162015, 20142013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2019: Lieblingsalben

10 – Bon Iver – i,i
Nicht ganz so verkopft wie der brilliante Vorgänger. Eingängiger, direkter – dafür auch etwas weniger wuchtig, etwas weniger beeindruckend: „i,i“ wirkt stellenweise wie ein Bon-Iver-Best of. Zumindest finde ich mich in Justin Vernons Klanguniversum zwischen Samples, Jägerhüttenfolk und skurilem 80s-Saxofon inzwischen ziemlich problemlos zurecht und fühle mich dort auch entsprechend gut aufgehoben.

9 Chris Robinson Brotherhood – Servants Of The Sun
Ach, Neal Casal. Dass er nicht mehr da ist, ist das mieseste an diesem Musikjahr. Im Frühjahr erschien noch „Servants Of The Sun“ – ausgelassener, spielfreudiger Gniedel-Freak-Rock, so tanzbar und leicht, wie man das zuletzt kaum noch von der „Brotherhood“ kannte. Chris, Neal, Adam und die anderen gut gelaunt und bester Dinge. Mögliche Erklärung: „Servants“ wurde über ein Jahr zuvor eingespielt, seitdem muss viel passiert sein. Dann ein Horror-Sommer: erst schickt Robinson im Sommer die Bruderschaft in eine Dauerpause, später die Nachricht vom Suizid Casals. Schließlich folgt eine halbgare Black-Crowes-Reunion mit irgendwelchen hired guns. Was zum…?! Was bleibt, ist tolle Musik in einem tragisch-traurigen Kontext.

8 Mavis Staples – We Get By
Blues- und Soullegende Mavis Staples ist in diesem Jahr achtzig Jahre alt geworden. Ben Harper, der bereits mehrfach mit der Staple-Singers-Frontfrau zusammenarbeitete, schneidert ihr als Geburtstagsgeschenk ein fantastisches Album auf den Leib. Zeitlose, aufrichtige, kämpferische Musik, die frischer und aktueller gar nicht sein könnte.

7 Harry Styles – Fine Line
Spät im Jahr erobert sich Ex-One-Direction-Harry noch einen Platz in meinen Jahrescharts und in den Herzen von Millionen von Fans. Es ist, wie es ist: dieser Typ singt einfach mal klasse und macht bei unzähligen Promotionauftritten von SNL bis James Corden auch schauspielernd und palavernd eine bella figura. Doch das wichtigste ist die Musik, und die passt; für einen Popstar erstaunlich erdig, kernig, authentisch, dabei aber immer eingängig, smart und sexy.

6 The Tallest Man On Earth – I Love You. It’s A Fever Dream
Bester Albumtitel des Jahres. Aber auch sonst: Kristian Matsson alias The Tallest Man On Eartn liefert in diesem Jahr sein bisher stimmigstes Album ab. Ganz ohne große Band; Gitarren, Gesang und hier und da mal Klavier, Mundharmonika und Streicher stehen im Mittelpunkt. Wahrscheinlich hat er diesen Vergleich inzwischen mächtig satt, aber natürlich erinnert diese Platte an den jungen Dylan. Gleichzeitig hat Matsson aber auch über die Jahre seinen ganz eigenen, seltsam versponnenen Sound erschaffen. Muss man erstmal hinkriegen, Epigone und Stilbildner auf einmal zu sein.

5 The Highwomen – The Highwomen
Wer hier zum ersten Mal von den Highwomen liest, möge sich bitte schnell in die Thematik einarbeiten (Highwaymen mit Cash und Co, männerdominiertes Country-Business, Feminismus usw.). Schon so ist dieses Album ein stimmgewaltiger Volltreffer. Mit dem Wissen darum, dass hier vier Damen mal eben die komplette, nach wie vor arg rückschrittliche Country-Welt aufmischen, macht’s gleich nochmal so viel Freude, ihnen dabei zuzuhören.

4 Eric Schenkman – Who Shot John?
Als Hardcore-Fan der Spin Doctors könnte ich ja so einige kritische Fragen stellen: warum machen die alle ständig Soloplatten, obwohl sie regelmäßig zusammen touren? Warum hat Eric fünf dieser zehn Songs in den letzten zehn Jahren schon in anderen Versionen veröffentlicht und verkauft sie nun als neu? Und was für eine dreiste 1:1-Kopie eines eigenen Songs ist denn bitteschön „Far Away“. Denkt Mr. Schenkman etwa, wir hätten nie „If The River Was Whiskey“ gehört? Aber wie auch immer: dieses Album ist halt trotzdem der Hammer, macht Spaß, ist funky, ungestüm, voller Spielfreude. Und jetzt aber mal wieder ab ins Studio mit den anderen Doctors. Bitte!

3 Better Oblivion Community Center – Better Oblivion Community Center
Das Jahr ging schon gut los: ohne viel Vorab-Promo trat das Better Oblivion Community Center in unser Leben. Phobe Bridgers und Conor Oberst machen gemeinsame Sache und liefern ein wunderbares Album ab, das sich musikalisch irgendwo zwischen Indierock, Folk und Pop bewegt.

2 Niels Frevert – Putzlicht
Was für eine triumphale Rückkehr nach ein paar Jahren der Pause, der künstlerischen Krise, des Unter-dem-Radar-Bleibens: Niels Frevert ist wieder da. Was soll ich groß schreiben über diesen von vorne bis hinten gelungenen großen Wurf? „Putzlicht“ macht mich einfach glücklich.

1 Trey Anastasio – Ghosts Of The Forest
Trey Anastasio verarbeitet auf diesem Soloalbum den Verlust seines Freundes Chris Cottrell, den er seit Kindertagen kannte und der 2018 einem Krebsleiden erlag. Anastasio gelingt dabei ein erstaunlich hoffnungsvoller Songzyklus, der all das vereint, was man am Phish-Sänger und -Gitarristen über die Jahrzehnte schätzen gelernt hat: sein lyrisches Talent. Seine Gabe, in Gitarrensoli ganze Geschichten zu erzählen. Seine Vorliebe für das Brechen von Erwartungen und Konventionen in Sachen Songstruktur und Klang. Ganz, ganz groß.

Meine zehn Lieblingsalben 2019 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

Siehe auch:
Lieblingsalben 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2006, 2005, 2004.

Mein 2018: Lieblingskonzerte

10 – Calexico, Leipzig, 6. Juli
Da lag Cumbia in der Luft! Diese Musik mit den kolumbianischen Wurzeln hat es den Calexico-Männern derzeit besonders angetan. Dazu Charmebolzen Joey Burns, der zwischendurch auch schon mal mit den Kindern im Publikum smalltalkt … Ein weiterer stimmungsvoller Abend an der Eutritzscher Parkbühne.

09 – Kettcar, Leipzig, 1. Februar
Zwar hat mich das letzte Album „Ich vs. Wir“ nicht so recht „gekriegt“. Aber wenn Kettcar in deiner Stadt spielen, dann gehst Du da hin. Und wirst nicht enttäuscht! Immer wieder verblüffend, wie viele große Songs dieser Marcus Wiebusch über die Jahre verzapft hat.

08 – The Cat Empire, Leipzig, 4. Juli
Wieder die Parkbühne, zwei Tage vor Calexico. The Cat Empire aus Australien sind mal wieder auf Tour (es war nur ein Jahr Pause, fühlte sich aber an, als hätte ich sie ewig nicht gesehen). Das wird sich wohl nie ändern: TCE-Shows machen zutiefst glücklich und erneuern das Grundvertrauen auf das Gute in den Menschen.

07 – Vocalconsort Leipzig, Leipzig, 26. Januar
Auftakt der „Abendlob“-Musikreihe in der neuen Propsteikirche, an deren Konzeption und Durchführung ich ehrenamtlich mitwirke. Das Vocalconsort Leipzig hat die Premierenbesucher restlos begeistert. In dieser Stadt gedeiht ja so manch gutes Vokalensemble. Dieses hier überzeugt auf ganzer Linie.

06 – Chris Barron, London, 29. Januar
Als Mischung aus Talkshow und Solokonzert war dieser Abend im lauschigen „The Islington“ gedacht – und genau die haben die etwa vierzig Gäste (ausverkauft!) auch bekommen. Chris brilliert in beiden Disziplinen als welt- und wortgewandter Geschichtenerzähler und so wird die Show eine höchst unterhaltsame Rückschau auf 30 Jahre im Rockbusiness.

05 – Faber, Leipzig, 28. September
Klar gefällt sich dieser Julian Pollina in der Rolle des kauzigen Bohemiens, den die Frauen verehren und mit dem die Männer Rotwein saufen wollen. Er füllt sie aber auch klasse aus, hat viel zu erzählen und kann wirklich was. Dann noch diese famose Band um ihn herum – Faber und seine Musik sind ein Erlebnis.

04 – Ben Folds, Berlin, 17. Mai
Wer auch immer die Idee hatte, Ben Folds für ein Konzert in die Berliner Passionskirche zu locken, hatte genau den richtigen Riecher. Folds passte da ganz wunderbar hin und lieferte einen Abend, bei dem nicht nur ich mir abwechselnd Tränchen des Lachens und Tränchen der Rührung aus dem Gesicht wischen musste.

03 – Pinegrove, Berlin, 3. Dezember
Ein hipper Laden auf dem RAW-Gelände. Eine Band, die eigentlich schon im letzten Winter in Berlin spielen wollte, dann aber pausieren musste. Was die Vorfreude und die Erwartungen der aus aller Welt angereisten Fans nur noch erhöhte. Doch Pinegrove liefern in jeder Hinsicht und spielen mal eben zwei komplette Alben von vorne bis hinten.

02 – The Tallest Man On Earth, Berlin, 22. September
Dieser kleine drahtige Kerl ganz alleine auf der Bühne des Studios 1 im ehemaligen Berliner Funkhaus in der Nalepastraße: welch surreales Setting! Der Tallest Man On Earth singt, spielt, tanzt, rennt um sein Leben und erhält dafür am Ende völlig zu Recht stehende Ovationen.

01 – Chris Robinson Brotherhood, Hamburg, 2. März
Stell dir vor, Deine Rhythmusgruppe steckt witterungsbedingt auf dem Dubliner Flughafen fest, aber Du willst Deine Hamburg-Show heute Abend einfach nicht absagen. Was tun? Genau, Du machst das Beste draus, spielst ungeprobt eine Art Unplugged-Show in Trio-Besetzung und bescherst Deinen begeisterten Fans einen Abend für die Ewigkeit.

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Zu Gast im Leipzig Fernsehen

Neulich war ich zu Gast in Tim Thoelkes Sendung „Tim im Turm“ bei Leipzig Fernsehen. Wir haben über meine neue CD geredet, aber auch übers Radiomachen, die katholische Kirche und meinen Hang zu Künstlern mit Achterbahnkarrieren … Die Sendung könnt Ihr jetzt im LF-Nachtprogramm sowie in der Mediathek des Senders anschauen.

Mein 2017: Lieblingsalben

10 Garish – Komm schwarzer Kater
Erstmals aufgefallen sind mir Garish 2004 mit ihrem Album „Absender auf Achse“. Songs wie „Einmal aus dem Nest gefallen findet man nicht mehr“ klangen faszinierend, ein wenig verspult und seltsam – wunderbar also! Auch alle weiteren Garish-Veröffentlichungen waren interessant, hörenswert, jeweils besonders. Dieses Mal haben sie mich aber so richtig gekriegt. „Komm schwarzer Kater“, das siebente Album der Österreicher, quillt geradezu über vor tollen Melodien, detailversessenen Arrangements und famosen Texten irgendwo zwischen plakativ und poetisch. Zehn Songs, zehn Ohrwürmer – das muss man erstmal hinkriegen.

9 John Mayer – The Search For Everything
Nein, das erhoffte „Continuum 2.0“ ist „The Search For Everything“ nicht geworden. Dennoch war es ein cleverer Zug von John Mayer, der dieser Tage auch bei Dead & Company dem Werk Jerry Garcias huldigt, die Leute, die für sein bislang gelungenstes Studioalbum verantwortlich waren, nach über zehn Jahren wieder um sich zu scharen. Mayer und sein Team komponieren geschmackvoll, performen makellos und liefern eine technisch über jeden Zweifel erhabene Produktion ab. Gern hätte es etwas mehr Gitarre und etwas weniger Puderzucker sein dürfen, insgesamt überzeugt „The Search For Everything“ aber auf ganzer Linie.

8 Rhiannon Giddens – Freedom Highway
Frau Giddens trat in mein Leben als Mitglied der „New Basement Tapes“ im Jahr 2014: was für eine Stimme! Seit Ewigkeiten macht die Musikerin aus North Carolina bereits Musik, und doch ist „Freedom Highway“ erst ihr zweites Soloalbum. Ergreifend, wie sie Folk und Blues ins Hier und Heute holt, wie sie in die lange amerikanische Songwriter-Tradition eintaucht und diese mit eigenen Geschichten und Beobachtungen fortschreibt. Eine Platte, in der man sich verlieren kann – traumhaft schön, aber dennoch mit Biss und reichlich Ecken und Kanten.

7 John Moreland – Big Bad Luv
Gar nicht sooo weit Weg von Rhiannon Giddens ist John Moreland – auch ihm tut man nicht Unrecht, wenn man seine Musik im Bereich Americana / Alternative Country ansiedelt. Moreland ist dabei aber eher am Singer-/Songwriter-Ende dieses Spektrums zu Hause als im folkloristischen Bereich. Die eingängigen, bisweilen fast lieblichen Melodien auf „Big Bad Luv“ stehen im krassen Gegensatz zu Morelands Texten, die von häufig von Schmerz, Leid und unerfüllter Liebe erzählen. Ein melancholisches Meisterwerk.

6 Conor Oberst – Salutations
Bei seinen Backingbands macht Conor Oberst keine Kompromisse – 2014 begleiteten ihn die wunderbaren Dawes auf Tour und waren Vorband und Mitmusiker in einem. Diesmal hat sich der Bright-Eyes-Erfinder für sein neues Album die nicht minder wunderbaren Felice Brothers ins Studio geholt. Noch so ein match made in heaven. Die starken Songs, zum Teil bereits bekannt durch das introvertierte Vorgängeralbum „Ruminations“, kommen in üppigen und quietschfidelen Folkrock-Arrangements daher und ergeben zusammen die bislang bestgelaunte Oberst-Soloplatte, ohne dabei irgendwelche Kompromisse in Sachen Qualität zu machen.

5 Portugal. The Man – Woodstock
Portugal. The Man haben sich vier Jahre Zeit gelassen, bevor sie uns 2017 statt der siebenten Auflage ihres bewährten und geschätzen Indie-Rocks erstmals ihre Version von Blockbuster-Popmusik vorstellten. Ein Teil der Fans schrie „Sellout“, doch der Rest der Welt verliebte sich in Songs wie „Feel It Still“ und „Live In The Moment“, die zu Hits des Jahres wurden. „Woodstock“ macht Riesenspaß und ich finde es bemerkenswert, wie gut der Spagat zwischen Altem und Neuem gelungen ist – man erkennt die Band sofort, und doch klingt sie anders als bisher – auf gute Art zeitgemäßer. Hut ab!

4 Declan McKenna – What Do You Think About The Car
Heiligabend wird Declan McKenna 19 Jahre alt. In den letzten zwölf Monaten jazzte ihn die britische Musikpresse zur „Stimme seiner Generation“ hoch und freute sich, endlich einen neuen Indie-Posterboy zu haben. Clever, wie sich der selbstbewusste Teenager diesen Erwartungshaltungen entzog: er wolle doch nur Musik spielen, die Leute sollen mal nicht so ein Gewese um ihn machen. Und das Album brauche halt noch etwas Zeit, also nimmt er sich die. Tatsächlich: nähert man sich McKenna ganz ohne Hype, bleibt ein Ausnahmetalent mit einem hammerguten Debütalbum übrig. Herz, was willst Du mehr.

3 Phoebe Bridgers – Stranger in the Alps
Wären das hier die späten neunziger oder frühen nuller Jahre, hätte man aus Phoebe Bridgers sowas wie die nächste Alanis Morissette machen können. Oder eine Folkversion von Avril Lavigne. Aber Gott sei Dank ist das hier 2017 und es versucht gerade keiner, diese junge Künstlerin aus L.A. in ein majorlabeltaugliches Klischee zu stecken. „Stranger in the Alps“ ist ganz, ganz große Singer-/Songwriterkunst, die sich aller möglichen Stile bedient und durch die sanfte, glasklare, doch an keiner Stelle beliebigen Stimme von Phoebe Bridgers zusammengehalten wird.

2 Chris Barron – Angels And One-Armed Jugglers
Wer hier regelmäßig mitliest, weiß längst, dass ich Chris Barron für einen der besten Songwriter unserer Zeit halte – in und außerhalb seiner Hausband Spin Doctors, die dieser Tage zwar regelmäßig tourt, aber seit vier Jahren keine neue Musik veröffentlicht hat. Stattdessen also ein weiteres Soloalbum. „Angels And One-Armed Jugglers“ gleicht einer Show-Revue voller großer und kleiner Kunststücke, Schmunzler, anrührender Momente und tiefgründiger Erkenntnisse. Unmöglich, sich an dieser Platte satt zu hören. Applaus!

1 Doc Robinson – Deep End
Zwei Dudes aus Columbus, Ohio. Noch weit, weit weg vom ganz großen Hype. Nach einer ersten EP das Debüt-Album. Sie nennen es „backyard BBQ breakup music“ und führen als wichtigste Einflüsse „Trennungen, lange Nächte, die gute alte Zeit, Poolpartys und den Sommer“ an. Pop, ordentlich versetzt mit Soul und R’n’B, aber auch auch einer Prise Folk. Nichts unerhört Neues, aber eben genau das Richtige, extrem entspannt und doch voller Spielfreude dargeboten. Und tatsächlich meine „Platte für alle Gelegenheiten 2017“: fürs Sonntagmorgenkaterfrühstück mit Freunden und Gartenpartys genauso wie für lange Zugfahrten durch den trübgrauen deutschen Herbst.

Meine zehn Lieblingsalben 2017 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

Siehe auch:
Lieblingsalben 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2006, 2005, 2004.

Mein 2016: Lieblingskonzerte

Calexico, Leipzig, Juli 2016.

10 – Calexico, Leipzig, 21. Juli
Eine laue Sommernacht, Leipzigs mit Abstand schönste Open-Air-Location und dazu die zeitlosen Klänge von Calexico: es geht mir gut, es könnte weiß Gott schlimmer sein.

9 – Konstantin Wecker, Leipzig, 26. April
Gerade in diesem Jahr war es ein großer Segen, dass wir Menschen wie Konstantin Wecker haben. Diese Mischung aus Zorn, Tatendrang, Leidenschaft, Mitgefühl und Humor, die er so wunderbar verkörpert, scheint mir das einzig funktionierende Gegengift zu sein gegen all diesen neurechten, menschenfeindlichen Postfaktenpropagandascheiss unserer Tage. Ein großartiger Abend im Gewandhaus mit Langzeitwirkung.

The View, Leipzig, Februar 2016.

8 – The View, Leipzig, 3. Februar
Es ist ganz und gar nicht fair, dass bei diesem Konzert gerade mal zwanzig oder dreißig zahlende Gäste dabei waren. Im kleinen Saal des Täubchenthals spielte die Band um Stimm- und Songwritingwunder Kyle Falconer ein Set für die Ewigkeit. Britischer Poprock, wie er besser nicht geht – das nächste Mal kommt ihr alle mit, ja?

7 – Von Wegen Lisbeth, Leipzig, 7. Oktober
Ja, ich hab mich schon ein wenig alt gefühlt zwischen all den Teens und Twens in der Halle D vom Werk II. Aber zu keiner Sekunde hab ich bereut, dieses Konzert besucht zu haben. Die Berliner sind eine Hammerliveband mit großartigen Songs – und erfreuen uns hoffentlich noch lange, lange mit ihrer schlauen, großen Popmusik.

Ben Harper, Berlin, September 2016

6 – Ben Harper & The Innocent Criminals, Berlin, 25. September
Das haben sie gut gemacht: die Euphorie der Comebacktour von 2015 hinübergerettet in die erste „reguläre“ Albumtour nach der langen Pause. Ben und die Criminals, das ist auch 2016 und mit neuem Material eine höchst sehenswerte Kombination.

5 – Glen Hansard, Leipzig, 24. November
Einer der Abende, der Dir den Glauben ans Gute im Menschen zurück gibt. Was Hansard und sein überaus begabtes Dutzend Mitmusiker da auf der Bühne und später auch auf den Rängen des Gewandhauses veranstaltet haben, war ganz großes Kino. Und wie da ein sanfter Chor aus Band und Leipziger Publikum „So Long Marianne“-singend vorm gerade verstorbenen Cohen den Hut zog, werde ich mein Lebtag nicht vergessen.

Chris Barron, London, November 2016.

4 – Chris Barron, London, 13. November
Ob es das wert ist? Für eine gute Stunde Chris-Solo-Konzert einen Städtetrip nach London zu planen? Auch noch im ohnehin stressigen November? Und ob es das wert ist ist. Ein magisches, kleines Konzert, ein liebenswürdiges, wohlwollendes Publikum und wie so oft danach dann herrliche Gespräche mit Chris am Tresen. What a time to be alive.

3 The Tallest Man On Earth, Leipzig, 15. August
Immer noch Sommer, immer noch lau, schon wieder die herrliche Parkbühne in Eutritzsch. Diesmal aber keine Posaunen und Mariachiklänge, sondern die feinsinnigen, versponnenen und immer so ganz unmittelbar ans Herz gehenden Songs des Tallest Man On Earth. Ein ergreifender Abend.

2 Damien Rice, Vilnius, 4. Juli
Der botanische Garten von Vilnius im Regen. Es will partout nicht dunkel werden. Dann, gegen 10, kommt er endlich: der kleine Ire mit der großen Stimme. Und mit einer Show, die mich begeistert. Alleine mit einer Gitarre und ein, zweitausend Effekten und Loopdingsis. Genau die richtige Mischung aus Drama, Weltschmerz, Hoffnung und Humor. Plötzlich passt alles, sogar der Regen.

Gov't Mule, Berlin, Mai 2016.

1 Gov’t Mule, Berlin, 19. Mai
Dank Wecker, Barron, Harper, Hansard und Rice durfte ich in diesem Jahr so einige echte „Mund-bleibt-offen-stehen-und-Augen-werden-feucht“-Konzertaugenblicke miterleben. Doch am stärksten spürte ich dieses Glücksgefühl Mitte Mai im Huxleys in Berlin: die beiden Sets, die Warren Haynes und seine Kollegen da gespielt haben, waren einfach nur perfekt; der Run von Lay Your Burden Down über Far Away > Stratus > Whisper In Your Soul > Time To Confess bis Million Miles From Yesterday war schlichtweg nicht von dieser Welt.

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2015: Lieblingskonzerte

Jed Appleton, Brighton 2015

10 – Jed Appleton, Brighton, 2. Februar
Angekündigt als support act für Stu Larsen, hat mich der junge Australier mehr begeistert als der eigentliche Star des Abends. Dieser noch ziemlich aufgeregte, quirlige Kauz hatte einfach eine Handvoll toller Songs, die er überaus engagiert in den ausverkauften Mini-Club hinaus bellte. Eine der angenehmsten Entdeckungen des Jahres.

9 – Gisbert zu Knyphausen & die Kid Kopphausen Band, Dresden, 23. Januar
Wer nicht weiß, welche Tragik dem Projekt „Kid Kopphausen“ innewohnt, möge googlen oder auch diese Website hier ein wenig gründlicher durchsuchen. Was bin ich froh, dass ich doch noch in den Genuss kam, die Band mal live zu sehen. Es war ein bewegender, schöner, bisweilen auch sehr lustiger Abend – nur halt leider, leider ohne Nils Koppruch.

My Morning Jacket, Boston 2015

8 – My Morning Jacket, Boston, 23. Mai
MMJ waren die Headliner am zweiten Abend des Boston Calling-Festivals im Mai 2015. Die rappelvolle City Hall Plaza erlebte eine wahrhaft große Rock’n’Roll-Show, bei der die Band sich einmal quer durch ihren üppigen Katalog spielte und nach über zwei Stunden Boston und seine vielen Gäste (ich war nicht der einzige, der eigens für das Festival in die Stadt gereist war) glücklich in die Nacht entließ.

7 – Niels Frevert, Leipzig, 22. September
Sowas nennt man wohl Kammer-Pop: Niels, der amtierende König im Lande der deuschsprachigen Liederschreiber, bat zur Audienz, nur sparsam begleitet durch Klavier und Cello. Leipzig war der Auftaktabend seiner Tour und der Maestro noch merklich aufgeregt ob der wohl noch nicht idealen Setlist. Dem Publikum war’s egal – wir genossen den wunderbar sanften Ritt einmal quer durchs Frevertsche Solowerk.

6 – William Fitzsimmons, Leipzig, 31. Juli
Eine gar nicht mal so laue Sommernacht an der wunderbaren Parkbühne in Eutritzsch: William Fitzsimmons war gekommen, um den brav lauschenden (ohne Quatsch, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können) Leipzigern seine Lieder vorzusingen. Dabei verzichtet auch er auf alles, was allzu viel Lärm machen könnte. Was bleibt, ist die angenehme Erinnerung an ein ziemlich leises, aber umso intensiveres Konzert.

DMB, Düsseldorf 2015

5 – Dave Matthews Band, Düsseldorf, 1. November
Das Düsseldorfer Konzert steht hier stellvertretend für alle drei famosen Abende, die mir diese Band in diesem Herbst bereitet hat. Stets kratzten die Jungs an der 3-Stunden-Marke und spielten mich in die Glückseligkeit. Müsste ich einen Lieblingsmoment aus diesen drei Shows nennen, ich könnte mich nicht entscheiden zwischen dem unerwarteten „Typical Situation“ in München, dem ergreifenden „Drunken Soldier“ in Berlin oder dem epischen „Seek Up“ in Düsseldorf.

Jono Manson, Brooklyn 2015

4 – Jono Manson, Brooklyn, 28. Mai
Der letzte Abend meiner USA-Reise hätte perfekter nicht sein können: Jono Manson, eine der prägenden Gestalten der New Yorker Jamband-Szene in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern, kehrt für ein kleines, unaufgeregtes Solo-Set zurück nach Brooklyn. In einer winzigen Bar vor vielleicht 20 Leuten kriege ich eine Ahnung davon, wie das damals gewesen sein muss, in der Nightingale Bar oder dem Wetlands.

3 – Ben Harper & The Innocent Criminals, Boston, 23. Mai
Über zehn Jahre sind vergangen, seit ich Harper live mit den Criminals erleben durfte. Zwischenzeitig legte er die Band auf Eis, um sich mit den Relentless7 rockigeren Gefilden zuzuwenden; Anfang des Jahres folgte dann die frohe Kunde von der Wiedervereinigung. Was ich schließlich im Mai in Boston sehen und hören durfte, war unglaublich: eine Band wie eine Naturgewalt, immer noch und schon wieder.

Chris Barron, Sheffield 2015

2 – Chris Barron, Sheffield, 11.Juli
Der Flug nach Sheffield? Irgendwas um die 150 Pfund. Die Übernachtung im Hotel? 45 Pfund. Das Konzertticket? 10 Pfund. Der Moment, an dem Dein Lieblingssänger völlig abgehetzt in dem winzigen Rockschuppen ankommt, und als erstes lautstark Deinen Namen ruft, weil er sich kaum noch einkriegt vor Freude darüber, dass Du für diese eine Show angereist bist: unbezahlbar.

Blues Traveler, Englewood, NJ

1 – Blues Traveler, Englewood, 17. Mai
Seit mehr als 27 Jahren gehen Blues Traveler Jahr für Jahr auf Tour. Während ihre Studioarbeiten bisweilen hits and misses bereithalten, sind die Livequalitäten dieser Band über jeden Zweifel erhaben. So auch an diesem Abend in einem hübschen Provinz-Theater irgendwo in New Jersey: John Popper und seine Jungs machen mich einfach glücklich – und wenn ich für sie in die absurdesten Vororte der Vereinigten Staaten reisen muss, dann is das eben so.

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2014: Lieblingskonzerte

10 – Malky, Leipzig, 24. Januar
Das Video zum Song „Diamonds“ war längst draußen, in Leipzig erzählte man sich von DER großen nächsten Live-Sensation der Stadt – Ende Januar hatte ich Gelegenheit, mir davon ein Bild zu machen. Und tatsächlich: Malky waren an dem Abend im Werk II eigentlich „nur“ die Vorband, hinterließen bei mir aber einen bleibenden Eindruck. Kommt ja selten genug vor, aber … der Hype war gerechtfertigt.

9 – Orgelkonzert, Leipzig, 15. März
Die Orgel in der Evangelisch-Reformierten Kirche am Leipziger Tröndlinring feierte ihren 45. Geburtstag. Da nicht nur Menschen, sondern auch Orgeln in diesem Alter die eine oder andere Schönheits-OP brauchen, organisierte die Gemeinde kurzerhand ein gelungenes Benefizkonzert. Hauptteil des Konzerts war die Messe für Chor und Orgel von Anton Dvorak aus dem Jahr 1887, aufgeführt mit der Kantorei der Gemeinde und tollen Solisten. Außerdem bot Universitätsmusikdirektor David Timm anschließend noch einige gewagte Improvisationen an der Jehmlich-Orgel. Ein spannender, packender Musikgenuss.

Spaceman Spiff & Enno Bunger, Leipzig 2014

8 – Spaceman Spiff & Enno Bunger, Leipzig, 4. Dezember
Das Vorurteil: das wird ein Abend mit zwei ganz gefühligen Boys, die schüchtern ihre durchaus schönen Problemlieder zum Besten geben. Die Überraschung: Spaceman Spiff und Enno Bunger können auch richtig laut und sogar tanzbar und sind auf der Bühne so gar nicht die maulfaulen Schwerstmelancholiker, sondern unterhaltsame Rampensäue mit, gewiss, in der Mehrzahl eher balladesken Songs. Das Ergebnis: ein wirklich kurzweiliger, toller Abend.

7 – Selig, Leipzig, 23. August
Ach Mensch, Selig. Ende August an der Parkbühne konnte ich noch nicht ahnen, dass ich mich später im Jahr tierisch über Euch ärgern würde. Die CD „Die Besten“ gefiel mir nämlich gar nicht, lieblose und blutleere Eigen-Cover waren das, in einem halbakustischen, seltsam schaumgebremsten Gewand. Und dann verlässt auch noch Keyboarder Malte die Band? Was mir Freunde von der Herbst-Tour berichten, lässt mich ahnen, dass die PUR-Werdung meiner einstigen Lieblingsband gerade im Eiltempo voranschreitet. Zum Glück war von all dem an diesem viel zu kühlen Sommerabend im August noch nichts zu spüren: meine fünf Helden spielten sich lautstark und ohne Wenn und Aber durch die derbsten Bretter ihrer Karriere – ich war völlig überrascht und geplättet und begeistert. Umso trauriger, wie es dann im Herbst mit der Band weiterging. Aber hey hey hey, natürlich bleibe ich voller Hoffnung und gespannt auf das, was da noch kommen mag.

6 – Stoppok, Leipzig, 20. November
Ein Dauergast in meinen Lieblingskonzertlisten. Auch 2014 lieferte der alte Recke mit seiner in Teilen neuen Band ein wunderbares Konzert ab.

Die Höchste Eisenbahn, Leipzig 2014

5 – Die Höchste Eisenbahn, Leipzig, 12. Februar
Eine zum Bersten volle NaTo. Und eine höchst spielfreudige Höchste Eisenbahn, die auf der ganzen Linie überzeugte. Francesco Wilking und Co. intonierten die Songs ihrer ersten beiden Platten, wechselten nach fast jedem Song die Instrumente und machten den Abend durch ihre äußerst lustigen Ansagen und Anekdoten erst so richtig rund. Ich glaub ja, dass hier gerade DIE deutschprachige Pop-Instanz der nächsten Jahre entsteht.

4 – The Hilliard Ensemble & Jan Garbarek, Halle, 20. Oktober
Ein wohliger Schauer nach dem nächsten jagte mir in Halle in der Marktkirche an diesem Abend über den Rücken: die Herren vom Hilliard Ensemble waren gekommen, um ein letztes Mal in unseren Breitengraden ihre unfassbar gute Vokalkunst zum Besten zu geben. Und das Publikum war gekommen, um von diesen großen Künstlern Abschied zu nehmen: Ende 2014 sangen sie das letzte Konzert ihrer Karriere. Mit dabei war der norwegische Jazzsaxofonist Jan Garbarek, mit dem die Hilliards drei Alben aufnahmen. Schade, dass ich das wohl nie wieder live erleben werde. Schön, dass ich in Halle dabei sein durfte.

Spin Doctors, Paris 2014

3 – Spin Doctors, Paris, 24. Februar
Auch in diesem Jahr durfte ich die Lieblingsband ein paar Mal live erleben. Drei Mal, um genau zu sein: in Paris, Amsterdam und Leuven. Die Pariser Show soll exemplarisch für diesen äußerst spannenden Run stehen. Die Band variierte die Setlisten von Nacht zu Nacht wie zuletzt in den frühen 90er Jahren, alte und neue Stücke fügten sich zu tollen Gesamtkunstwerken ineinander. Chris, Aaron, Mark und Eric sind und bleiben die coolsten Säue unter dieser Sonne und ich freu mich schon aufs nächste Dutzend Shows.

2 – Conor Oberst & Dawes, Hamburg, 11. August
A match made in heaven: Dawes, die sich 2013 in mein Herz spielten, als Backing Band für Conor Oberst, den ich bislang noch nie live gesehen hatte. Praktischerweise gaben Dawes auch gleich noch die Vorband, was mich natürlich doppelt freute. Das neunminütige „Peace In The Valley“ am Ende des Dawes-Sets in der restlos ausverkauften Hamburger „Fabrik“ war für mich der Konzertmoment des Jahres. Das Set mit Conor Oberst war bis zum letzten Song erstklassig und einnehmend, verstörend war jedoch dann die Zugabe: Dawes mussten fast acht Minuten instrumental überbrücken, bevor Oberst schließlich doch völlig verwirrt und neben sich stehend zurück auf Bühne wankte und die letzten beiden Stücke mit Mühe und Not durchhielt. Ein seltsames Ende einer sonst tadellosen, berauschenden Show, die mir lange in Erinnerung bleiben wird.

Niels Frevert, Dresden 2014

1 – Niels Frevert, Dresden, 22. November
Was für ein Genuss! Frevert mit Band in der Dresdener Scheune. Niels war an dem Abend gut drauf und zum Plaudern aufgelegt, und die Band war aufeinander eingespielt wie in diesem Jahr sonst nur die deutsche Fußball-Nationalelf. Das Schönste: live kommen auch die Songs der jüngeren Frevert-Platten etwas rauher und gitarrenlastiger daher, was ihnen extrem gut bekommt. Ob neue Meisterwerke wie „Muscheln“ oder alte Gassenhauer wie „Seltsam öffne mich“ und „Doppelgänger“ – was für ein Glück, dass es Niels Frevert gibt.

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2013: Lieblingslieder

Dawes - Stories Don't End

10 Jim James – State Of The Art (A.E.I.O.U.)
We got our wires all crossed, the tubes are all tied and I’m straining to remember just what means to be alive.

9 Joseph Arthur – I Used To Know How To Walk On Water
Forgive me now my useless thunder when I was such a dynamo. I am here and I am humble for I know not which way to go.

8 Iron & Wine – Joy
Deep inside the heart of this troubled man, there’s an itty bitty boy tugging hard at your hand. Born bitter as a lemon but you must understand that you’ve been bringing me joy.

7 Ina Müller – Pläne
Wie ich mit diesem harten Schluss ein Stück erwachsner werden muss …

6 The Shouting Matches – Gallup, NM
You know that your lies are talking, when you know that your lies are walking with the truth. And you were always looking, and I was always cooking up the proof.

5 Bilderbuch – Plansch
Her mit dem Käscher und holt ihn raus, er treibts wieder grün und blau. So ein frecher Beckenverdrecker, Beckenverdrecker.

4 The Avett Brothers – Morning Song
‚Cause even though I know there’s hope in every morning song, I have to find that melody alone.

3 Spin Doctors – So Bad
He’s got a tattoo of an angel weeping in the rain.

2 Die Höchste Eisenbahn – Isi
Isi mach die Tür von innen zu! Es waren mehr als zwei Gläser und auch mehr als zehn. Du darfst nicht mit dem Fahrrad und du sollst auch nicht zu Fuß, Du darfst überhaupt nicht mehr gehn.

1 Dawes – Bear Witness
As if the world revealed its secret and it’s asking me to keep it like a kid that hears the ocean in a shell: that’s the love that I came to bear witness to and the love I’m taking with me when I go.

Meine zehn Lieblingslieder 2013 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

Siehe auch:
Lieblingslieder 2012 (Spotify), 2011 (Spotify), 2010 (Spotify), 2009 (Spotify), 2008.