Mein 2021: Lieblingskonzerte


Was hatte ich im letzten Jahr an dieser Stelle geschieben?

Ich wünsche mir sehr, dass sie bald zurück kommt, die Livemusik. Und dass ich im nächsten Jahr dieser Stelle wieder von wunderbaren Konzertmomenten schwärmen kann.

Das Foto ganz oben zeigt einen Ausschnitt aus meinem Feedreader, aus dem Ordner „Musik-Nachrichten“, Ende Dezember 2021. Eine US-Band nach der anderen cancelt ihre für Silvester geplanten Konzerte. Hier in Deutschland ist schon seit ein paar Wochen wieder weitestgehend Schluss mit Livemusik, die aktuelle Covid-Situation macht ein business as usal für Bands, Künstler*innen, Veranstaltungsagenturen, Bühnenarbeiter*innen u.v.a.m. nach wie vor unmöglich. Bei allem Verständnis für die dringend nötigen pandemieeindämmenden Maßnahmen: für viele Menschen, die im weitesten Sinne in der Unterhaltungsbranche arbeiten, ist die Lage erneut existenzbedrohend geworden.

Was für diese Leute an die Substanz geht, ist für Livemusikfreund*innen wie mich erstmal „nur“ schade: auch in diesem Jahr waren Live-Momente die große Ausnahme für mich, ich konnte nicht annähernd so oft wie „vor Corona“ zu Konzerten gehen, geschweige denn zu Konzerten reisen. Es fehlt mir ungemein, dieses Erlebnis, zusammen mit vielen anderen tollen Menschen beim Musikmachen zuzuschauen. Wie sehr ich das vermisse, spürte ich bei den paar Gelegenheiten, die sich dann doch im zurückliegenden Jahr ergaben:

In dieser herrlich entspannten Sommernacht auf der Koppel in Fraureuth etwa, in der Stoppok für uns aufspielte. Oder Ende August, als Gisbert zu Knyphausen und Kai Schumacher mit ihrem fantastischen „Lass irre Hunde heulen“-Franz-Schubert-Programm auf der Geyserhaus-Parkbühne in Leipzig gastierten. Oder bei diesem inspirierenden Orgelkonzert mit Prof. David Franke im Regensburger Dom.

Na klar, auch in diesem Jahr gab es Livestreams. Die wöchentlichen „Thirsty Thursday Happy Hours“ von Chris Barron haben mich sicher durch den Winter und das Frühjahr gebracht (Chris hat uns über ein gutes Vierteljahr hinweg ohne größere Wiederholungen mit mehr als 100 gespielten Songs einen Ritt durch sein gesamtes Oeuvre geschenkt, das war schon Weltklasse). Auch die wunderbaren Goose-Konzertmitschnitte bei Youtube haben mir das Jahr verschönert. Da waren auch noch Streams von – da isser wieder – Stoppok (sein legendärer Geburtstagslivestream im Februar war äußerst amüsant), Damien Dempsey, Dawes und zuletzt die Abschieds-Show von The Cat Empire. Und doch sind Livekonzerte auf dem Bildschirm für mich kein vollständiger Ersatz für das „echte Erlebnis“.

Bleibt zu hoffen, dass 2022 auch im Blick auf Livemusik besser wird als 2020 und 2021 – insbesondere für die, die in der Livebranche arbeiten und dringend wieder sowas wie Normalität im Job brauchen. Aber auch für Musikfreunde und passionierte Konzergänger*innen wie mich.

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Lieblingskonzerte 2020, 2019, 2018, 2017, 20162015, 20142013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2019: Lieblingskonzerte

10 – George Ezra, Leipzig, 5. Mai
Der Boy aus Bristol ist zum Superstar geworden. Und legt eine abendfüllende, familienkompatible Show hin, die irgendwo zwischen liebenswürdig und kitschig, sympathisch geerdet und dennoch leicht überdimensioniert einzuordnen ist. Am Ende gehen alle glücklich nach Hause und es bleibt die Gewissheit: dieser unheimlich nette George, der kann was.

9 – Cub Sport, Hamburg, 6. Februar
Versponnener Keyboard-Dream-Pop? Eigentlich nicht so meine go-to-Musikfarbe. Aber vielleicht hat mich die Show der australischen Band gerade deshalb so in ihren Bann gezogen. Große Melodien, ganz große Gefühle. Sänger Tim Nelson ist ein Superstar – noch mag das hierzulande nur für die Gay- oder Indie-Szene gelten. Aber es ist gewiss nur eine Frage der Zeit, bis Bühnen und Fanmengen größer werden.

8 – Gisbert zu Knyphausen, Leipzig, 29. Juni
Einer meiner Lieblingssongschreiber auf der Lieblings-Open-Air-Bühne der Stadt – die Voraussetzungen dafür, dass das ein wunderbarer Spätjuniabend werden dürfte, waren ideal. Gisberts Band und er wirkten auf mich eingespielter und harmonischer als zuletzt; die Stimmung bei Musikern wie Publikum war prächtig. So wurde es schließlich der ersehnte harmonisch-melancholische Sommerauftakt für alle Beteiligten.

7 – Christian Kjellvander, Hamburg, 5. Februar
Der umtriebige Schwede kam mit seiner Band in die Hamburger Livemusik-Institution Knust, um sein achtes Album „Wild Hxumans“ zu präsentieren. Eine beeindruckende Angelegenheit: Kjellvanders sonor-geheimnisvoller Gesang erinnert an Lou Reed und Jim Morrison, die Musik ist tempoarm, aber wuchtig. Wintermusik im besten Sinne – und zwar ganz große.

6 – Faber, Leipzig, 26. November
Der Skandalknabe aus der Schweiz wird wohl einer der großen Abräumer 2020. Gleich zwei Mal will er hier das Haus Auensee ausverkaufen, gleich zwei große bundesweite Touren im Frühjahr und Herbst wird es zu seinem zweiten Album geben. Beim Vorab-Gig im lauschigen Naumanns demonstriert Faber, wie er auch in Duo-Besetzung einen Saal zum Ausrasten bringt. Zynischer Songwriter-Pop mit Weltmusikeinschlag – so eine Nische muss man erst mal finden, sich zu eigen machen und besetzen. Faber hat’s geschafft.

5 – Jan Plewka & Marco Schmedtje, Hamburg, 8. Februar
Mein zweites „Behind the Bars“-Konzert der beiden Herren, diesmal in ihrer norddeutschen Heimat. Und die zwei unweit der Reeperbahn zu erleben, wie sie ihre heimelige, herrlich gefühlsduselige „Wir-ziehen-wahllos-Songs-aus-dem-Hut“-Show durchziehen, ist ein ganz besonderes Vergnügen. Wir hören Songs von Rio Reiser, Simon & Garfunkel und eigene Stücke und glauben später, an der Bar, alle gemeinsam wieder etwas mehr an das Gute im Menschen.

4 – Dave Matthews Band, Berlin, 23. März
Nach vier langen Jahren ziehen DMB wieder durch Europa, in diesem Jahr natürlich, um ihr aktuelles Album „Come Tomorrow“ zu promoten und die mit Keyboarder Buddy Strong in veränderter Besetzung aufspielende Band zu präsentieren. Drei Konzerte durfte ich erleben und damit eine Band in Top-Form bewundern. Am eindrücklichsten war die Show in Berlin – was an den 1-A-Sitzplätzen quasi über der Bühne und an der unfassbar großen Spielfreude der Matthewsschen Mannschaft gelegen haben dürfte.

3 – Niels Frevert, Dresden, 17. Oktober
Meine Güte, hat mir Niels Frevert gefehlt! Fünf Jahre hat er sich für’s Album „Putzlicht“ Zeit gelassen. Aus einer musikalischen und persönlichen Krise kommt er gestärkt zurück. Live bedeutet das vor allem: er rockt wie seit Jahr(zehnt?)en nicht mehr. Seine Band ist perfekt aufeinander abgestimmt, die Setlist überzeugt mit einem fairen Mix aus Neuem und Altem. Niels fliegt die Liebe des Publikums nur so zu und er genießt die Ovationen sichtlich. Erstaunlich: das alles funktioniert auch in abgespeckter Trio-Besetzung, wie ich ein paar Wochen später in Leipzig erleben durfte. Schön, dass Du wieder da bist, Niels.

2 – Dawes, Köln, 1. November
Ebenfalls eine kleine Ewigkeit ist es her, dass Dawes für ein paar Shows in Europa waren. Ich habe sie auf der Tour in Berlin und Köln erlebt und stimme all denen zu, die diese vier Herren für einen der stärksten Live-Acts unserer Zeit halten. Großes Songwriting, famose Performance, euphorisches Publikum. Der für mich größte Moment: das epische „Peace In The Valley“ im Kölner Artheater.

1 – Sinéad O’Connor, Berlin, 8. Dezember
Hätte mir jemand Anfang 2019 gesagt, dass ich noch am Ende desselben Jahres Sinéad O’Connor auf einem umjubelten, ausverkauften Konzert in Berlin erleben würde, ich hätte ihm oder ihr wohl einen Vogel gezeigt. Mit größter Sorge nahm ich all die Schlagzeilen der letzten Jahre zur Kenntnis, ihre psychischen Probleme, die Zerwürfnisse mit Freunden und Familie, die Gerüchte über Suizidversuche und und und. Doch tatsächlich: es scheint ihr wieder gut zu gehen. Gestärkt durch eine neue Band, ein neues Management und eine neue spirituelle Heimat (sie ist jetzt Muslima), setzt sie musikalisch dort an, wo sie vor ihrer Zwangspause seit 2015 war – mit einer frenetisch gefeierten Performance, die einen gelungenen Querschnitt durch ihr gesamtes Oevre liefert. Der Unterschied zu „damals“? Heute wirkt Sister Sinéad gelöst und gestärkt. Ihre Stimme ist dabei in Bestform: glasklar, druckvoll, mal markerschütternd, mal engelsgleich, immer magisch.

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2018: Lieblingskonzerte

10 – Calexico, Leipzig, 6. Juli
Da lag Cumbia in der Luft! Diese Musik mit den kolumbianischen Wurzeln hat es den Calexico-Männern derzeit besonders angetan. Dazu Charmebolzen Joey Burns, der zwischendurch auch schon mal mit den Kindern im Publikum smalltalkt … Ein weiterer stimmungsvoller Abend an der Eutritzscher Parkbühne.

09 – Kettcar, Leipzig, 1. Februar
Zwar hat mich das letzte Album „Ich vs. Wir“ nicht so recht „gekriegt“. Aber wenn Kettcar in deiner Stadt spielen, dann gehst Du da hin. Und wirst nicht enttäuscht! Immer wieder verblüffend, wie viele große Songs dieser Marcus Wiebusch über die Jahre verzapft hat.

08 – The Cat Empire, Leipzig, 4. Juli
Wieder die Parkbühne, zwei Tage vor Calexico. The Cat Empire aus Australien sind mal wieder auf Tour (es war nur ein Jahr Pause, fühlte sich aber an, als hätte ich sie ewig nicht gesehen). Das wird sich wohl nie ändern: TCE-Shows machen zutiefst glücklich und erneuern das Grundvertrauen auf das Gute in den Menschen.

07 – Vocalconsort Leipzig, Leipzig, 26. Januar
Auftakt der „Abendlob“-Musikreihe in der neuen Propsteikirche, an deren Konzeption und Durchführung ich ehrenamtlich mitwirke. Das Vocalconsort Leipzig hat die Premierenbesucher restlos begeistert. In dieser Stadt gedeiht ja so manch gutes Vokalensemble. Dieses hier überzeugt auf ganzer Linie.

06 – Chris Barron, London, 29. Januar
Als Mischung aus Talkshow und Solokonzert war dieser Abend im lauschigen „The Islington“ gedacht – und genau die haben die etwa vierzig Gäste (ausverkauft!) auch bekommen. Chris brilliert in beiden Disziplinen als welt- und wortgewandter Geschichtenerzähler und so wird die Show eine höchst unterhaltsame Rückschau auf 30 Jahre im Rockbusiness.

05 – Faber, Leipzig, 28. September
Klar gefällt sich dieser Julian Pollina in der Rolle des kauzigen Bohemiens, den die Frauen verehren und mit dem die Männer Rotwein saufen wollen. Er füllt sie aber auch klasse aus, hat viel zu erzählen und kann wirklich was. Dann noch diese famose Band um ihn herum – Faber und seine Musik sind ein Erlebnis.

04 – Ben Folds, Berlin, 17. Mai
Wer auch immer die Idee hatte, Ben Folds für ein Konzert in die Berliner Passionskirche zu locken, hatte genau den richtigen Riecher. Folds passte da ganz wunderbar hin und lieferte einen Abend, bei dem nicht nur ich mir abwechselnd Tränchen des Lachens und Tränchen der Rührung aus dem Gesicht wischen musste.

03 – Pinegrove, Berlin, 3. Dezember
Ein hipper Laden auf dem RAW-Gelände. Eine Band, die eigentlich schon im letzten Winter in Berlin spielen wollte, dann aber pausieren musste. Was die Vorfreude und die Erwartungen der aus aller Welt angereisten Fans nur noch erhöhte. Doch Pinegrove liefern in jeder Hinsicht und spielen mal eben zwei komplette Alben von vorne bis hinten.

02 – The Tallest Man On Earth, Berlin, 22. September
Dieser kleine drahtige Kerl ganz alleine auf der Bühne des Studios 1 im ehemaligen Berliner Funkhaus in der Nalepastraße: welch surreales Setting! Der Tallest Man On Earth singt, spielt, tanzt, rennt um sein Leben und erhält dafür am Ende völlig zu Recht stehende Ovationen.

01 – Chris Robinson Brotherhood, Hamburg, 2. März
Stell dir vor, Deine Rhythmusgruppe steckt witterungsbedingt auf dem Dubliner Flughafen fest, aber Du willst Deine Hamburg-Show heute Abend einfach nicht absagen. Was tun? Genau, Du machst das Beste draus, spielst ungeprobt eine Art Unplugged-Show in Trio-Besetzung und bescherst Deinen begeisterten Fans einen Abend für die Ewigkeit.

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.