Neue Musik: Stornoway, The Bear That Wasn’t, Sido, The National, Gisbert zu Knyphausen, Eli „Paperboy“ Reed, Salomon Burke, The Tallest Man On Earth

Stornoway – Beachcomber’s Windowsill (2010)
Junge Band aus Oxford. Die vier Herren machen ziemlich zuckrigen Pop, aber übertreiben es nie mit Niedlichkeit und Verspieltheit. Tolle kleine Melodien allerorten und im richtigen Moment kommen Bläser und Streicher zum Einsatz. So richtige Songs für die Ewigkeit sind auf „Beachcomber’s Windowsill“ zwar nicht zu hören, trotzdem kommt diese Platte für mich zur richtigen Zeit: angenehme Frühlingsmusik ist das.

Sido – MTV Unplugged Live aus’m MV (2010)
Dass ich mal wohlwollend über ’ne Sido-Platte schreiben würde, hätte ich mir bis vor ein paar Tagen nicht träumen lassen. Ich hab nicht wirklich viel Ahnung von deutschem HipHop, und Sido war für mich immer eher ein amüsanter Kasper als ein relevanter Künstler. Aber dann hab ich mir bei Spotify mal seine Unplugged-Session angehört – und bin angetan. Großartige Liveband, Sido performt auf den Punkt und mit hörbarem Spaß an der Sache. Natürlich hält das Album auch ein paar Tiefpunkte parat (die Gastauftritte von Kurt Krömer und Adel Tawil braucht kein Mensch), insgesamt ist das aber großes Entertainment. Sido unplugged: harte Schale, schlageresker Kern. Mir gefällt’s.

Salomon Burke – Nothing’s Impossible (2010)
Burke ist und bleibt einer der größten Soulsänger unter dieser Sonne, und daran ändert auch „Nothing’s Impossible“ nichts. Im Gegenteil: auf seiner neuen Platte stellt der unkaputtbare Salomon einmal mehr unter Beweis, was für ein begnadeter Showman er ist. Soul, Swing, ein wenig Rock und dazu das zeitlose Thema Liebe – you got me where you want me.

Gisbert zu Knyphausen – Hurra Hurra So Nicht (2010)
Hat mich das erste Album von Gisbert zu Knyphausen zwar interessiert, aber nicht wirklich gefesselt, so kriegt mich der seltsame Songwriter diesmal voll und ganz. Texte, für die manche morden würden, Melodien, die zwar unaufdringlich daherkommen, sich aber dauerhaft festsetzen. Das herrliche Gefühl, die Musik sei nur für einen selbst gemacht. Und mit „Melancholie“ legt zu Knyphausen die Latte für den besten Song 2010 schon mal mächtig, mächtig hoch.

The Bear That Wasn’t – And So It Is Morning Dew (2010)
Eine Latte, die für mich derzeit nur The Bear That Wasn’t überspringt. Das ist der Künstlername für Nils Verresen, er ist „just a Belgian boy with a guitar and an angelic voice“ (Pressetext). Das ist natürlich völlig untertrieben. Mit zahlreichen Freunden macht dieser Verresen bezaubernden Folk, überzeugt mit sanft, aber effektiv arrangierten Songs und begeistert durch eine lange nicht gehörte Mischung aus Leichtigkeit und – da isse wieder – Melancholie. Der beste Song? „Fizzy Good (Make Feel Nice)“.

The National – High Violet (2010)
Platten von The National irritieren mich immer ein wenig: dieses etwas Düstere, Nachdenkliche einerseits, und dieses übertrieben Pathetische andererseits. Eine Mischung, die mir durchaus gefällt. Und doch haben mich The National als Band nie völlig überzeugt, würde ich mich nicht als Fan bezeichnen. Bei „High Violet“ ist es wieder genau so. Eine schöne Platte, mit einigen echt famosen Momenten, aber nichts, was mich voll und ganz „packt“. Was mir sehr gefällt: „High Violet“ wirkt bei aller Mächtigkeit und Bedeutungsschwere dann aber doch irgendwie leichter, entspannter als frühere The National-Alben.

Eli ‚Paperboy‘ Reed – Come And Get It (2010)
Amerikanischer Mittzwanziger macht blinkenden, funkelnden Siebziger-Soulpop. Das ist retro bis zum Gehtnichtmehr, das ist eine wie für’s Feuilleton erdachte Künstlerbiographie. Das wäre alles ziemlich langweilig und berechnend – wenn es nicht so unglaublich gut wäre. Paperboy ist ein großartiger Entertainer und sein unbeschwerter, makelloser Pop macht schlicht und einfach… Spaß.

The Tallest Man On Earth – The Wild Hunt (2010)
Zum Schluß noch der Hinweis auf einen 27jährigen Mann aus Schweden, der so klingt, als wäre er irgendwo in den Wäldern Nordamerikas groß geworden. The Tallest Man On Earth heißt eigentlich Kristian Matsson und seine Musik lässt sich am besten als Folk beschreiben. Schöne Songs, bisweilen geht mir die arg markante Stimme (die in den besten Momenten an den jungen Bob Dylan erinnert) allerdings ein wenig auf den Keks. Davon abgesehen ist „The Wild Hunt“ aber eine absolut empfehlenswerte Platte.