Mein 2016: Lieblingsalben

Dawes - We're All Gonna Die. Mein Album des Jahres 2016.

10 Stoppok – Operation 17
Schafft auch nicht jeder: Stoppok kam dieses Jahr mit dem 17. Studio-Werk seiner Karriere um die Ecke. Allein dafür gebührt Deutschlands unkapputbarstem Barden höchster Respekt. Dass dieses Album dann aber auch noch bergeweise tolle Songs enthält, ist umso feiner – Stücke wie „Rausch ab“, „Regenlied II“, „1 Weg hier raus“ oder „Planlos durch das All“ sind frisch, geistreich, absolut geschmackssicher produziert und performt; es ist eine wahre Freude. Stoppoks neues Material ist so gut, dass man ihm den einzigen Ausrutscher der „Operation 17“ („Friss den Fisch“, ein unnötiges „Dumpfbacke“-Ripoff) lächelnd nachsieht.

9 John Legend – Darkness And Light
Spätestens seit er das letzte Studioalbum der Alabama Shakes veredelt hat, gilt Blake Mills als einer der angesagtesten Produzenten der Stunde. Zu Recht: was auch immer dieser schluffihaft-schlacksig wirkende Kerl zur Zeit auch anfasst, wird zu Gold. Das gilt für eine Platte ganz besonders, von der hier später noch zu lesen sein wird. Das gilt aber auch für das fantastische neue Soloalbum von Jim James und eben für „Darkness And Light“ von R’n’B-Star John Legend. Ganz und gar nicht platte Soulmusik, der Mills clevere Arrangements spendiert, die den Kern des Songs jeweils zielsicher herausarbeiten. Dazu grandiose Gesänge und ein unfassbar cooler, knackiger Gesamtsound – das macht den Herren Mills und Legend so leicht keiner nach.

8 Open Hearts Society – Driftwood Radio
Als „Rural Folk Boogie“ bezeichnet das Trio seine Musik, und diese Beschreibung passt wie die Faust aufs Auge. Fünf Jahre nach „Love In Time“ folgt nun also „Driftwood Radio“, eine komplett unaufgeregte, wunderschöne Platte irgendwo zwischen Folk, Country und Blues. Dass Eric Schenkman in dieser Band so ganz und gar nicht nach seiner Hauptband Spin Doctors klingt, sondern wesentlich sanfter, versponnener und relaxter, überrascht zunächst, passt aber hervorragend. Mit seinen gerade mal acht Songs mag diese Veröffentlichung wie ein Minialbum wirken. Wer sich drauf einlässt, merkt aber schnell, wie groß(artig) „Driftwood Radio“ geworden ist.

(Zu den Songs von „Driftwood Radio“ gibt’s noch keine Videos, daher hier ein älterer Song der Band. You get the idea.)

7 Ben Harper & The Innocent Criminals – Call It What It Is
Hätte ja auch schief gehen können. Ben Harper trommelt seine Innocent Criminals nach fast sieben Jahren Funkstille wieder zusammen. In den Urlaub geschickt hatte er sie damals, weil er ihrer wohl ein wenig überdrüssig war. Doch das ist lange her – nach einer gefeierten Comeback-Tour kam dieses Jahr nun „Call It What It Is“. Das Album ist durchweg kurzweilig und bunt, Harper glänzt mit starken Songs und die Band groovt so famos wie eh und je. Meine einzige Kritik ist, dass das Ganze leider etwas überraschungsarm geraten ist. Doch das sei als Kritik auf allerhöchstem Niveau verstanden.

6 PROSE – Home Of The Brave
Meine Neuentdeckung des Jahres. Ein junges Trio aus Manchester, das Rap, Akustik-Folk und Pop auf eine Weise vermischt, wie ich sie bisher noch nicht gehört habe. Dabei spürt man deutlich, dass die Jungs tief im Hip Hop verwurzelt und beheimatet sind; andererseits aber auch ein Händchen für große Melodien haben. Kurzweilig, clever, wunderbar.

5 Bon Iver – 22, A Million
Album Nummer drei von Bon Iver also. Auf Waldhüttenliebeskummerfolk und großen Kammerpop folgt ein sperriger Hybrid aus klassischem Songwriting, (w)irren Samples, unzählbaren Grooves und kruder Zahlenmystik. Was bei den ersten paar Durchläufen erstmal gehörig fordert und überfordert, entpuppt sich nach und nach als Meisterwerk. Justin Vernon weiß in jeder Sekunde ganz genau, was er da tut und spendiert der Welt damit so ganz nebenbei auch noch eine Handvoll wunderbarer Melodien, die sich souverän aus den komplexen Klanglandschaften herausschälen. Und immer wieder tönt aus der Ferne ein Saxophon. Im besten Sinne ein anstrengendes Vergnügen.

4 The Avett Brothers – True Sadness
Produzentenguru Rick Rubin und die Gebrüder Avett scheinen einen Narren aneinander gefressen zu haben – immerhin ist „True Sadness“ bereits das vierte Album, dass die Alternative-Folk-Helden mit dem bärtigen Soundgenie aufgenommen haben. Es ist ein großer Wurf geworden! Die Avett Brothers tasten sich angstfrei in neue musikalische Gefilde vor und erkunden dabei weniger wie in der Vergangenheit eher schrammelige Rock-Ecken, sondern vielmehr elektronisches und Progrock-Terrain. Das geht deshalb gut, weil im Kern stets rustikale, leidenschaftliche Songs zu finden sind. Und so klingt dieses Album halt sowohl klassisch-zeitlos als auch modern und experimentierfreudig.

3 Die Höchste Eisenbahn – Wer bringt mich jetzt zu den Anderen
Was einst als loses Nebenprojekt begann, wurde spätestens 2016 zur obersten Instanz in Sachen Songwriter-Pop in Deutschland. Irre, wie viele Menschen unterschiedlichster musikalischer „Heimaten“ sich derzeit auf diese Band und ihre Songs einigen können. „Wer bringt mich jetzt zu den Anderen“ ist ein in jeder Hinsicht gelungener Nachfolger von „Schau in Lauf Hase“; die Herren Krämer und Wilking haben den Stil, wie sie die kleinen großen Dramen des Erwachsenseins in lakonische Lieder gießen, weiter perfektioniert. Schlau, aber nicht binsenweise. Eingängig, aber nicht beliebig. Herzlich, aber kein bisschen kitschig. Okay, nur ein ganz kleines bisschen.

2 Lawrence – Breakfast
Als diese Platte erschien, hatten Lawrence noch keinen Plattenvertrag. Kurz vor Jahresende konnte die Band um die höllisch talentierten Geschwister Clyde (23) und Gracie (19) bei einem der letzten Majorlabels unterschreiben. Wenn man sich anhört, wozu die beiden und ihre durchweg hervorragenden Mitmusiker im Stande sind, wird schnell klar, warum das geklappt hat: das hier ist geschmeidiger Pop mit ganz viel Funk und Soul, handwerklich über jeden Zweifel erhaben, dennoch frisch und zeitgemäß. Würde mich nicht wundern, wenn uns die Lawrence-Bande in Kürze von den oberen Charts-Rängen aus zuwinkt.

1 Dawes – We’re All Gonna Die
Schon wieder Dawes? Ja, schon wieder. Aber nicht, weil ich halt ein treudoofer Fan bin, sondern weil dieses nur 15 Monate nach „All Your Favorite Bands“ wie aus dem Nichts gekommene Album einen Triumph auf ganzer Linie darstellt. Blake Mills (siehe oben) ist es zu verdanken, dass Dawes nicht einfach zum fünften Mal eine Platte im ähnlichen Stil aufgenommen haben, sondern ihren Sound deutlich erweitern konnten: viel mehr Keyboard, klangliche Spielereien an Schlagzeug und Bass, harmonisch gewagtere Songstrukturen und und und. Herz und Seele der Band sind dabei aber nicht auf der Strecke geblieben, im Gegenteil. Was einem hier so modern und frisch entgegentönt, sind einige der stärksten Songs im an starken Songs wahrlich nicht armen Dawes-Katalog.

Meine zehn Lieblingsalben 2016 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

Siehe auch:
Lieblingsalben 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2006, 2005, 2004.

Mein 2011: Lieblingsalben

10 Ben Harper – Give Till It’s Gone
So richtig war mir nicht klar, wo die Reise hingehen sollte. Harpers 2011er Platte wartet weder mit dem gefälligen Acoustic-Soul der späten Innocent-Criminals-Werke auf, noch mit der eindringlichen Ruppigkeit der Relentless-7-Veröffentlichungen. Ben Harper wirkt düsterer als in den letzten Jahren, er fleht „Don’t Give Up On Me Now“ und singt sich Mut an: „I Will Not Be Broken“. Das alles fasziniert, vereinnahmt – und hat mich durch’s ganze Jahr begleitet.

9 Wilco – The Whole Love
Wilco! Nach all den Jahren kriegen sie mich doch. Eine von diesen Bands, für die ich mich wahlweise immer zu jung, zu alt, zu europäisch oder zu sonstwas gefühlt habe. Aber dann kam „The Whole Love“ raus und es hat Klick gemacht. Ein Album, das von experimentellem Lärm bis zur perfekten Songperle so ziemlich alles liefert.

8 Open Hearts Society – Love In Time
Dass Eric Schenkman mal in einer Band mitspielt, die ihre Musik als „Rural Folk Boogie“ bezeichnet, hätte ich mir auch nicht träumen lassen. Der Spin Doctors-Gitarrist hat sich’s in seiner Wahlheimat Kanada gemütlich gemacht und mit ein paar Kumpels eine durch und durch entspannte Platte aufgenommen. In den wenigen lauten Momenten an Neil Young gemahnend und in den ruhigeren Phasen an die Decemberists, ist „Love In Time“ eine neun Songs lange (kurze) Wundertüte, in die ich 2011 sehr häufig und gerne reingegriffen habe.

7 Warren Haynes – Man In Motion
Gov’t Mule-Vorarbeiter lädt sich hochkarätige Freunde ins Studio (u.a. Ivan Neville) und huldigt dem Soul. Das Ergebnis klingt dann auch genau so: eine sanftere, souligere Version des Haynesschen Sounds, sensationelle Gitarrensoli und Wahnsinnsstimme inklusive. Keine Revolution, aber gerade deswegen in meinem 2011 mehr als willkommen.

6 Bright Eyes – The People’s Key
Der nächste große Wurf von Conor Oberst. Öffne eine beliebige 2011er Jahresbestenliste eines beliebigen Musikblogs oder -magazins, und Du wirst „The People’s Key“ darin finden. Zu Recht.

5 Bon Iver – Bon Iver
Der nächste große Wurf von Justin Vernon. Öffne eine beliebige 2011er Jahresbestenliste eines beliebigen Musikblogs oder -magazins, und Du wirst „Bon Iver“ darin finden. Zu Recht.

4 John Popper & The Duskray Troubadours
Zum dritten Mal macht sich Popper ohne seine Blues-Traveler-Kameraden auf Reisen. Diesmal übt er sich in Americana und Roots Rock. Gemeinsam mit Freund und Musik-Genius Jono Manson ist John Popper dabei ein zeitloses Album mit großartigen Songs gelungen. „Champipple“, „Something Sweet“ oder „Love Has Made It So“ heißen diese Perlen, die in diesem Jahr eine viel größere mediale Aufmerksamkeit verdient gehabt hätten.

3 The Felice Brothers – Celebration Florida
Anstrengend, schräg, unstet, aufreibend. Alles Attribute, die ich „Celebration, Florida“ durchaus zuschreiben würde. Doch genau diese Attribute machen diese Platte der Felice Brothers so interessant. Der Dylaneske Folksound der Brüder wird diesmal ergänzt durch Synthesizer, Noiseeffekte, Loops und E-Gitarren. Fertig ist eine wunderbare musikalische Zumutung, an der ich mich in diesem Jahr nicht satt hören konnte.

2 Niels Frevert – Zettel auf dem Boden
Beim ersten Hören: Überforderung, ganz leichte Enttäuschung gar. Beim zweiten Hören: Heimischwerden, Fallenlassen, Aufgefangenwerden. Bei jedem weiteren Hören: Begeisterung, Gänsehaut, Bewunderung. Und jetzt? Die Gewissheit, dass von dieser CD auch noch in 20 Jahren schwärmen werde.

1 The View – Bread And Circuses
Mit der Wahl meines Albums des Jahres stehe ich, verglichen mit anderen Jahresbestenlisten, sicher ziemlich einsam da. Aber nicht, weil ich was besonderes sein will, ist dieses Album auf dem ersten Platz gelandet. Sondern, weil das dritte Album der Schotten einfach zum Soundtrack für mein 2011 geworden ist. In traurigen Momenten wie in Augenblicken des Glücks, auf Reisen und daheim – irgendeiner dieser cleveren, beseelten Rocksongs von „Bread And Circuses“ war immer mit dabei. Außerdem muss ja dringend mal wieder einer schreiben, dass es nur wenige Sänger vom Schlage eines Kyle Falconer unter dieser Sonne gibt.

siebenSACHEN vom 13. August 2010: ifp, Flut in Pakistan, Ocean Colour Scene, Social Media, The Felice Brothers, Google, The Open Hearts Society

– Ich schwanke zwischen Entsetzen, Verwunderung und Enttäuschung bei der jüngsten Personalie im ifp, der Katholischen Journalistenschule in München (bei der ich 2002/2003 eine ganz hervorragende PR-Ausbildung absolvieren durfte).

Ocean Colour Scene werden 21 Jahre alt – und veröffentlichen aus diesem Anlass im Oktober eine schicke 4-CD-Box mit allen Hits und 21 unveröffentlichten Aufnahmen.

– Ja, klar, Atomregime. Ja, sicher, Taliban. Und trotzdem: Millionen von Menschen in Pakistan brauchen nach der Flutkatastrophe Hilfe. Und bei vielen deutschen Hilfswerken kann man sicher sein, dass unsere Unterstützung bei den Richtigen ankommt. Deshalb die Bitte: gebt was, z.B. an das Bündnis Entwicklung hilft oder die Aktion Deutschland hilft.

– Sehenswert: Die Social Media-Landkarte, handgemalt und witzig – bei flowtown.com.

– Zufällig beim Rumsurfen entdeckt: die famosen Felice Brothers haben unlängst eine neue CD rausgebracht, neun ziemlich wunderbare Songs. Die CD heißt „Mixtape“, und man kann sie nur online erstehen, bei iTunes etwa – oder im Band-Store.

– Der Friedhof der Google-Produkte – ein wenig polemisch, aber interessant: hier entlang.

– …und weil der letzte Spin Doctors Sunday viel zu lange her ist, mach ich den nächsten eben jetzt… Eric Schenkman hat ein neues Projekt, die Open Heart Society. Album soll noch in diesem Jahr erscheinen, hier die erste musikalische und visuelle Kostprobe: One Place.

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