Mein 2016: Ein Fazit.

Lissabon 2016

Soso, die Welt hat sich also darauf verständigt, 2016 als mieses Jahr abzuhaken. Brexit, Trump, Terror, das Ableben etlicher Künstler, kleine und große Katastrophen. Doch schaue ich auf mein persönliches 2016 zurück, dann mag ich in dieses allgemeine Lamento nicht einstimmen. Da waren etliche schöne Konzerte. Spannende Reisen: Danzig, Vilnius, London, Lissabon, Breslau, Bonn, Limburg, Berlin, Sevilla, Cádiz, Schwedt, Hamburg, Dresden, Zeitz, Gibraltar, Israel. Im Schnee an der Ostsee entlang spaziert und am dritten Oktober im Atlantik geplanscht. Als Patenonkel zu Pfingsten eine wunderbare Taufe miterlebt. Gut zu tun gehabt in kirchlichen Ehrenämtern (Erkundungsprozess, Diözesanrat). Gut zu tun gehabt im Beruf (und mehr Spaß denn je). Den neuen Dresdener Bischof kennengelernt. Zwei Preise bekommen. Den Katholikentag in Leipzig mitgestaltet, begeistert er- und zufrieden überlebt. Mit 2zueins! und solo musiziert, für Heldenstadt.de und andere getextet, geredet, konzipiert. Neue Lieder geschrieben. Den einen Proberaum ausgeräumt, den anderen bezogen und lieb gewonnen. Viel Besuch empfangen. Viele Besuche bei der Familie. Und auch Phasen der Ruhe, der Stille. Und noch so viel mehr.

Mein 2016 war kunterbunt, ein wenig chaotisch, spannend und durchweg aufregend. Das schließt die großen „Aufreger“ dieser Welt mit ein, die mich natürlich auch beschäftigen. Aber schlecht? Schlecht war es nicht. Im Wissen, dass 2017 einige Veränderungen bereit hält, und mit der Ahnung, dass sich da auch ein paar Überraschungen dazu gesellen werden, blicke ich dankbar zurück und erwarte zuversichtlich, was kommen mag.

Narsdorf 2016.

Hier noch einmal meine Lieblings-Listen 2016 im Überblick:
Lieblingsalben 2016
Lieblingskonzerte 2016
Lieblingslieder 2016

Danke, werter Besucher, für’s Mitlesen, Dabeisein, Begleiten und Beobachten im Jahr 2016 – ich freue mich auf 2017 und viele neue Lieder, Bücher, Reisen, Eindrücke, Momente und Blogeinträge.

Ältere Jahresrückblicke:
2015 (Fazit, Alben, Konzerte, Lieder)
2014 (Fazit, Alben, Konzerte, Lieder)
2013 (Fazit, Alben, Konzerte, Lieder)
2012 (Fazit, Alben, Konzerte, Lieder)
2011 (Fazit, Alben, Konzerte, Lieder)
2010 (Fazit, Alben, Konzerte, Lieder)
2009
2008
2006
2005
2004

Mein 2016: Lieblingslieder

Stoppok - Operation 17

10 The Avett Brothers – Ain’t No Man
There ain’t nobody here who can cause me pain or raise my fear because I got only love to share. If you’re looking for truth I’m proof you’ll find it there

9 Ove – Wo Du schläfst
In all die Löcher, die Du gräbst, fall ich rein. Da, wo Du schläfst, möcht ich sein

8 The Tallest Man On Earth – Time Of The Blue
Now, is it fear? How does it ring? How does it teach young birds to sing? And riot through the orchestra? When is quiet coming?

7 Yeasayer – I Am Chemistry
My mama told me not to fool with oleander and never handle the deadly quaker buttons again

6 Ansel Elgort – Home Alone
At the end of the night when I turn off the lights and the bullshit fades away, I don’t wanna go home alone

5 Sinéad O’Connor – Trouble Will Soon Be Over
Though my burden may be heavy, my enemies crush me down, someday I’ll rest with Jesus and wear a starry crown

4 Die Höchste Eisenbahn – Erobert & Geklaut
Was ich nicht kenne, muss ich fürchten, es könnte meine Rettung sein. Unter der Wolkendecke ist Platz für alle – nur wenn es regnet, gehen nicht alle rein

3 Jake Bugg – Love, Hope And Misery
They say it comes in threes; love, hope and misery, and the first two have gone and tell me if I’m wrong, I hope that I am and you don’t hate me

2 Dawes – Quitter
Quit wasting my time because pretty soon you’ll find it’s the only thing of value that we own. You’re gonna have to quit everything, until you find one thing you won’t

1 Stoppok – 1 Weg hier raus
Es muss n Weg hier raus geben, raunzt der Teufel, mir wird die Sache hier zu heiss

Meine zehn Lieblingslieder 2016 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

Siehe auch:
Lieblingslieder 2015 (Spotify), 2014 (Spotify), 2013 (Spotify), 2012 (Spotify), 2011 (Spotify), 2010 (Spotify), 2009 (Spotify), 2008.

Mein 2016: Lieblingskonzerte

Calexico, Leipzig, Juli 2016.

10 – Calexico, Leipzig, 21. Juli
Eine laue Sommernacht, Leipzigs mit Abstand schönste Open-Air-Location und dazu die zeitlosen Klänge von Calexico: es geht mir gut, es könnte weiß Gott schlimmer sein.

9 – Konstantin Wecker, Leipzig, 26. April
Gerade in diesem Jahr war es ein großer Segen, dass wir Menschen wie Konstantin Wecker haben. Diese Mischung aus Zorn, Tatendrang, Leidenschaft, Mitgefühl und Humor, die er so wunderbar verkörpert, scheint mir das einzig funktionierende Gegengift zu sein gegen all diesen neurechten, menschenfeindlichen Postfaktenpropagandascheiss unserer Tage. Ein großartiger Abend im Gewandhaus mit Langzeitwirkung.

The View, Leipzig, Februar 2016.

8 – The View, Leipzig, 3. Februar
Es ist ganz und gar nicht fair, dass bei diesem Konzert gerade mal zwanzig oder dreißig zahlende Gäste dabei waren. Im kleinen Saal des Täubchenthals spielte die Band um Stimm- und Songwritingwunder Kyle Falconer ein Set für die Ewigkeit. Britischer Poprock, wie er besser nicht geht – das nächste Mal kommt ihr alle mit, ja?

7 – Von Wegen Lisbeth, Leipzig, 7. Oktober
Ja, ich hab mich schon ein wenig alt gefühlt zwischen all den Teens und Twens in der Halle D vom Werk II. Aber zu keiner Sekunde hab ich bereut, dieses Konzert besucht zu haben. Die Berliner sind eine Hammerliveband mit großartigen Songs – und erfreuen uns hoffentlich noch lange, lange mit ihrer schlauen, großen Popmusik.

Ben Harper, Berlin, September 2016

6 – Ben Harper & The Innocent Criminals, Berlin, 25. September
Das haben sie gut gemacht: die Euphorie der Comebacktour von 2015 hinübergerettet in die erste „reguläre“ Albumtour nach der langen Pause. Ben und die Criminals, das ist auch 2016 und mit neuem Material eine höchst sehenswerte Kombination.

5 – Glen Hansard, Leipzig, 24. November
Einer der Abende, der Dir den Glauben ans Gute im Menschen zurück gibt. Was Hansard und sein überaus begabtes Dutzend Mitmusiker da auf der Bühne und später auch auf den Rängen des Gewandhauses veranstaltet haben, war ganz großes Kino. Und wie da ein sanfter Chor aus Band und Leipziger Publikum „So Long Marianne“-singend vorm gerade verstorbenen Cohen den Hut zog, werde ich mein Lebtag nicht vergessen.

Chris Barron, London, November 2016.

4 – Chris Barron, London, 13. November
Ob es das wert ist? Für eine gute Stunde Chris-Solo-Konzert einen Städtetrip nach London zu planen? Auch noch im ohnehin stressigen November? Und ob es das wert ist ist. Ein magisches, kleines Konzert, ein liebenswürdiges, wohlwollendes Publikum und wie so oft danach dann herrliche Gespräche mit Chris am Tresen. What a time to be alive.

3 The Tallest Man On Earth, Leipzig, 15. August
Immer noch Sommer, immer noch lau, schon wieder die herrliche Parkbühne in Eutritzsch. Diesmal aber keine Posaunen und Mariachiklänge, sondern die feinsinnigen, versponnenen und immer so ganz unmittelbar ans Herz gehenden Songs des Tallest Man On Earth. Ein ergreifender Abend.

2 Damien Rice, Vilnius, 4. Juli
Der botanische Garten von Vilnius im Regen. Es will partout nicht dunkel werden. Dann, gegen 10, kommt er endlich: der kleine Ire mit der großen Stimme. Und mit einer Show, die mich begeistert. Alleine mit einer Gitarre und ein, zweitausend Effekten und Loopdingsis. Genau die richtige Mischung aus Drama, Weltschmerz, Hoffnung und Humor. Plötzlich passt alles, sogar der Regen.

Gov't Mule, Berlin, Mai 2016.

1 Gov’t Mule, Berlin, 19. Mai
Dank Wecker, Barron, Harper, Hansard und Rice durfte ich in diesem Jahr so einige echte „Mund-bleibt-offen-stehen-und-Augen-werden-feucht“-Konzertaugenblicke miterleben. Doch am stärksten spürte ich dieses Glücksgefühl Mitte Mai im Huxleys in Berlin: die beiden Sets, die Warren Haynes und seine Kollegen da gespielt haben, waren einfach nur perfekt; der Run von Lay Your Burden Down über Far Away > Stratus > Whisper In Your Soul > Time To Confess bis Million Miles From Yesterday war schlichtweg nicht von dieser Welt.

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2016: Lieblingsalben

Dawes - We're All Gonna Die. Mein Album des Jahres 2016.

10 Stoppok – Operation 17
Schafft auch nicht jeder: Stoppok kam dieses Jahr mit dem 17. Studio-Werk seiner Karriere um die Ecke. Allein dafür gebührt Deutschlands unkapputbarstem Barden höchster Respekt. Dass dieses Album dann aber auch noch bergeweise tolle Songs enthält, ist umso feiner – Stücke wie „Rausch ab“, „Regenlied II“, „1 Weg hier raus“ oder „Planlos durch das All“ sind frisch, geistreich, absolut geschmackssicher produziert und performt; es ist eine wahre Freude. Stoppoks neues Material ist so gut, dass man ihm den einzigen Ausrutscher der „Operation 17“ („Friss den Fisch“, ein unnötiges „Dumpfbacke“-Ripoff) lächelnd nachsieht.

9 John Legend – Darkness And Light
Spätestens seit er das letzte Studioalbum der Alabama Shakes veredelt hat, gilt Blake Mills als einer der angesagtesten Produzenten der Stunde. Zu Recht: was auch immer dieser schluffihaft-schlacksig wirkende Kerl zur Zeit auch anfasst, wird zu Gold. Das gilt für eine Platte ganz besonders, von der hier später noch zu lesen sein wird. Das gilt aber auch für das fantastische neue Soloalbum von Jim James und eben für „Darkness And Light“ von R’n’B-Star John Legend. Ganz und gar nicht platte Soulmusik, der Mills clevere Arrangements spendiert, die den Kern des Songs jeweils zielsicher herausarbeiten. Dazu grandiose Gesänge und ein unfassbar cooler, knackiger Gesamtsound – das macht den Herren Mills und Legend so leicht keiner nach.

8 Open Hearts Society – Driftwood Radio
Als „Rural Folk Boogie“ bezeichnet das Trio seine Musik, und diese Beschreibung passt wie die Faust aufs Auge. Fünf Jahre nach „Love In Time“ folgt nun also „Driftwood Radio“, eine komplett unaufgeregte, wunderschöne Platte irgendwo zwischen Folk, Country und Blues. Dass Eric Schenkman in dieser Band so ganz und gar nicht nach seiner Hauptband Spin Doctors klingt, sondern wesentlich sanfter, versponnener und relaxter, überrascht zunächst, passt aber hervorragend. Mit seinen gerade mal acht Songs mag diese Veröffentlichung wie ein Minialbum wirken. Wer sich drauf einlässt, merkt aber schnell, wie groß(artig) „Driftwood Radio“ geworden ist.

(Zu den Songs von „Driftwood Radio“ gibt’s noch keine Videos, daher hier ein älterer Song der Band. You get the idea.)

7 Ben Harper & The Innocent Criminals – Call It What It Is
Hätte ja auch schief gehen können. Ben Harper trommelt seine Innocent Criminals nach fast sieben Jahren Funkstille wieder zusammen. In den Urlaub geschickt hatte er sie damals, weil er ihrer wohl ein wenig überdrüssig war. Doch das ist lange her – nach einer gefeierten Comeback-Tour kam dieses Jahr nun „Call It What It Is“. Das Album ist durchweg kurzweilig und bunt, Harper glänzt mit starken Songs und die Band groovt so famos wie eh und je. Meine einzige Kritik ist, dass das Ganze leider etwas überraschungsarm geraten ist. Doch das sei als Kritik auf allerhöchstem Niveau verstanden.

6 PROSE – Home Of The Brave
Meine Neuentdeckung des Jahres. Ein junges Trio aus Manchester, das Rap, Akustik-Folk und Pop auf eine Weise vermischt, wie ich sie bisher noch nicht gehört habe. Dabei spürt man deutlich, dass die Jungs tief im Hip Hop verwurzelt und beheimatet sind; andererseits aber auch ein Händchen für große Melodien haben. Kurzweilig, clever, wunderbar.

5 Bon Iver – 22, A Million
Album Nummer drei von Bon Iver also. Auf Waldhüttenliebeskummerfolk und großen Kammerpop folgt ein sperriger Hybrid aus klassischem Songwriting, (w)irren Samples, unzählbaren Grooves und kruder Zahlenmystik. Was bei den ersten paar Durchläufen erstmal gehörig fordert und überfordert, entpuppt sich nach und nach als Meisterwerk. Justin Vernon weiß in jeder Sekunde ganz genau, was er da tut und spendiert der Welt damit so ganz nebenbei auch noch eine Handvoll wunderbarer Melodien, die sich souverän aus den komplexen Klanglandschaften herausschälen. Und immer wieder tönt aus der Ferne ein Saxophon. Im besten Sinne ein anstrengendes Vergnügen.

4 The Avett Brothers – True Sadness
Produzentenguru Rick Rubin und die Gebrüder Avett scheinen einen Narren aneinander gefressen zu haben – immerhin ist „True Sadness“ bereits das vierte Album, dass die Alternative-Folk-Helden mit dem bärtigen Soundgenie aufgenommen haben. Es ist ein großer Wurf geworden! Die Avett Brothers tasten sich angstfrei in neue musikalische Gefilde vor und erkunden dabei weniger wie in der Vergangenheit eher schrammelige Rock-Ecken, sondern vielmehr elektronisches und Progrock-Terrain. Das geht deshalb gut, weil im Kern stets rustikale, leidenschaftliche Songs zu finden sind. Und so klingt dieses Album halt sowohl klassisch-zeitlos als auch modern und experimentierfreudig.

3 Die Höchste Eisenbahn – Wer bringt mich jetzt zu den Anderen
Was einst als loses Nebenprojekt begann, wurde spätestens 2016 zur obersten Instanz in Sachen Songwriter-Pop in Deutschland. Irre, wie viele Menschen unterschiedlichster musikalischer „Heimaten“ sich derzeit auf diese Band und ihre Songs einigen können. „Wer bringt mich jetzt zu den Anderen“ ist ein in jeder Hinsicht gelungener Nachfolger von „Schau in Lauf Hase“; die Herren Krämer und Wilking haben den Stil, wie sie die kleinen großen Dramen des Erwachsenseins in lakonische Lieder gießen, weiter perfektioniert. Schlau, aber nicht binsenweise. Eingängig, aber nicht beliebig. Herzlich, aber kein bisschen kitschig. Okay, nur ein ganz kleines bisschen.

2 Lawrence – Breakfast
Als diese Platte erschien, hatten Lawrence noch keinen Plattenvertrag. Kurz vor Jahresende konnte die Band um die höllisch talentierten Geschwister Clyde (23) und Gracie (19) bei einem der letzten Majorlabels unterschreiben. Wenn man sich anhört, wozu die beiden und ihre durchweg hervorragenden Mitmusiker im Stande sind, wird schnell klar, warum das geklappt hat: das hier ist geschmeidiger Pop mit ganz viel Funk und Soul, handwerklich über jeden Zweifel erhaben, dennoch frisch und zeitgemäß. Würde mich nicht wundern, wenn uns die Lawrence-Bande in Kürze von den oberen Charts-Rängen aus zuwinkt.

1 Dawes – We’re All Gonna Die
Schon wieder Dawes? Ja, schon wieder. Aber nicht, weil ich halt ein treudoofer Fan bin, sondern weil dieses nur 15 Monate nach „All Your Favorite Bands“ wie aus dem Nichts gekommene Album einen Triumph auf ganzer Linie darstellt. Blake Mills (siehe oben) ist es zu verdanken, dass Dawes nicht einfach zum fünften Mal eine Platte im ähnlichen Stil aufgenommen haben, sondern ihren Sound deutlich erweitern konnten: viel mehr Keyboard, klangliche Spielereien an Schlagzeug und Bass, harmonisch gewagtere Songstrukturen und und und. Herz und Seele der Band sind dabei aber nicht auf der Strecke geblieben, im Gegenteil. Was einem hier so modern und frisch entgegentönt, sind einige der stärksten Songs im an starken Songs wahrlich nicht armen Dawes-Katalog.

Meine zehn Lieblingsalben 2016 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

Siehe auch:
Lieblingsalben 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009, 2008, 2006, 2005, 2004.