Das Wichtigste zuerst!

“Das Wichtigste zuerst!” Dieses Prinzip lernen Leute, die in den Medien arbeiten, gleich als Erstes. Sei es die Nachricht in der Tageszeitung, die Eilmeldung, die auf dem Handy aufploppt oder die Pressemitteilung eines Unternehmens – denen, die solche Texte erstellen, wird eingeschärft: am Anfang muss immer das stehen, was am Wichtigsten ist. Das, was alle unbedingt wissen müssen. 

Erst dann folgen die Details, ist Raum für Hintergründe und Zusammenhänge. Ich erinnere mich an die Faustregel in meiner Ausbildung: eine gute, professionelle Pressemitteilung muss stets von hinten kürzbar sein. Darüber freuen sich alle, die die Mitteilung lesen und weiterverarbeiten. 

“Das Wichtigste zuerst” – das ist auch sonst ein hilfreiches, gutes Prinzip für’s Leben. Die Menschen, Themen und Termine, die mir am meisten am Herzen liegen, sollten Vorrang haben. Familie, Freunde, ein Engagement im Ehrenamt vielleicht. Und, na klar, idealerweise ein Beruf, der mich erfüllt. “Das Wichtigste zuerst” – dieser Gedanke bewahrt mich davor, mich zu schnell in Nebensächlichem zu verlieren. Ein Prinzip, das Klarheit schafft und für Ordnung sorgt. 

Das funktioniert aber nur, wenn ich überhaupt weiß, wo meine Prioritäten denn liegen. Es tut gut, sich das immer mal bewusst zu machen: Wer und was ist denn wirklich für mich das Wichtigste im Leben?

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 19. Mai in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Zeit für Aha-Momente!

Gestern begann der islamische Fastenmonat Ramadan. Für Muslime ist das Fasten eine der fünf Säulen ihrer Religion neben dem Glaubensbekenntnis, den täglichen Gebeten, dem Almosengeben und dem Pilgern nach Mekka. Von Tagesanbruch bis Sonnenuntergang verzichten sie im Ramadan auf Essen und Trinken. 

Auch das Christentum kennt das Fasten – gerade jetzt, in den sieben Wochen bis zum Osterfest. Die Regeln sind nicht ganz so streng wie die des Ramadan, aber auch Christinnen und Christen sind angehalten, sich in der Fastenzeit in Verzicht, Gebet und Selbstreflexion zu üben. Ich verstehe diese Fastenzeiten als Einladung, zum Kern meines Lebens durchzudringen: Was trägt mich? Welche Rolle spielt Gott für mich? Setze ich die richtigen Prioritäten? Wie nehme ich andere Menschen wahr? 

Freilich, das könnte ich mich ja immer mal fragen; ehrlicherweise geht sowas bei mir im täglichen Stress aber meistens unter. Gut also, wenn ich einen Anlass habe, um diese Themen für eine Weile nach vorn zu stellen. Die äußeren Fasten-Vollzüge – wie etwa der Verzicht auf Fleisch, Alkohol, Netflix oder so – helfen, Platz für diese zentralen Fragen zu schaffen. 

Gelingendes Fasten endet daher nicht mit der Bikinifigur für die Badesaison. Sondern mit persönlichen Aha-Momenten. Mit Dankbarkeit. Oder Demut. Und mit tiefem Respekt vor allen, die sich solchen Herausforderungen stellen wie in der Fastenzeit oder im Ramadan.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 24. März 2023 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Augen zu, um zu sehen!

Um hier etwas zu sehen, müsst Ihr Eure Augen ganz fest zu machen!” Ein merkwürdiger Rat, den uns der Stadtführer in Jerusalem da gab. Ausgerechnet hier, in Jerusalem, der Hauptstadt von gleich drei Weltreligionen, sollen wir die Augen schließen? Wir waren gerade unterwegs auf der Via Dolorosa in der Innenstadt; hier soll Jesus einst nach seiner Verurteilung sein Kreuz durch die Straßen geschleppt haben. 

Und wir sollen hier die Augen zu machen? Natürlich sagte unser Guide das ganz bewusst und mit einem Lächeln. Denn ob das hier wirklich genau der Kreuzweg von Jesus war? Wohl kaum, liegt die Stadt heutzutage doch gut zehn Meter höher als zu Lebzeiten Jesu. Ich bin wirklich nah dran am historischen Ort, aber so genau, wie ich als wissbegieriger Tourist das gerne hätte, eben auch wieder nicht. 

Aber – kommt es darauf überhaupt an? Wer nach Jerusalem fährt, “auf den Spuren Jesu“ reist, geht auf keinem einzigen Stein mehr, auf dem auch schon Jesus lief. Dennoch wird die Bibel für ihn greifbarer: durch Bauwerke, Gerüche, die Kultur, die Menschen, das Wetter. Ich kann ganz viel lernen und verstehen – mit allen Sinnen, nicht nur durch das Sehen. 

Übrigens funktioniert das mit den geschlossenen Augen nicht nur in Jerusalem. Auch im Alltag lohnt es sich, immer mal ganz bewusst die Augen zu schließen: um dadurch klarer zu “sehen”, worauf es in meinem Leben ankommt.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 27. Januar 2023 in der Kolumne “Der Gedanke zum Wochenende” erschienen ist.

Zeit für mehr Freundlichkeit

Was Sie jetzt gleich lesen, könnte dazu führen, dass Sie mich für naiv halten. Oder für einen unverbesserlichen Optimisten. Aber damit kann ich leben. Nun denn: Ich wünsche mir, dass sich nach der Bundestagswahl tatsächlich etwas verändert in Deutschland – nämlich die Art, wie wir miteinander umgehen!

Denn ich bin müde vom ständigen Gepoltere gegen das, was einem selbst nicht in den Kram passt. Das geht los bei Sätzen wie „Die da oben kümmern sich doch eh nur um sich” und hört bei „Mein Nachbar, dieser Depp, hat seit Wochen den Rasen nicht gemäht!” noch lange nicht auf. Spüren Sie auch, dass der Umgangston in unserer Gesellschaft deutlich rauer geworden ist? Klar kann man da schön auf andere zeigen – auf „die Medien” oder „die Regierenden”. Aber auch und gerade die ganz normalen Gespräche bei Familienfeiern, nach Gottesdiensten oder bei zufälligen Treffen driften oft ab in gegenseitige Belehrungen und Debatten, bei denen man den anderen von der eigenen, viel richtigeren Meinung zu überzeugen versucht.

Ganz gleich, wie die Bundestagswahl morgen ausgeht und wer da künftig Verantwortung übernimmt: Ich wünsche mir, dass diese Menschen eine faire Chance bekommen. Dass man nicht geradezu darauf wartet, wer wann endlich den ersten Fauxpas liefert, über den man sich genüsslich echauffieren kann.

Ja, ich wünsche mir mehr Mitgefühl, Fairness und Freundlichkeit. Denn das gefällt nicht nur naiven Menschen und unverbesserlichen Optimisten.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er am 25. September 2021 in der Kolumnen-Reihe “Gedanken zum Wochenende” erschienen ist.

Suche Frieden!

LVZ Kolumne DH Oktober 2016

„Seht, da ist der Mensch“. Das war das Motto des Katholikentages Ende Mai in Leipzig. Nach dem Katholikentag ist vor dem Katholikentag – im Frühjahr 2018 steigt das nächste Großtreffen dieser Art, dann in Münster. Seit ein paar Wochen steht fest, welches Leitwort dieser Katholikentag haben wird: „Suche Frieden!“ Das Motto stammt aus dem Psalm 34: „Suche Frieden und jage ihm nach“, heißt es da. Diese Psalmen im Alten Testament waren damals ja Gassenhauer, weithin bekannte und gebräuchliche Lieder der Klage, der Bitte oder des Dankes. Der Psalm 34 gehört dabei zu den Dankliedern.

Obendrein hält er gute Tipps bereit, wie das mit dem Frieden „im Himmel und auf Erden“ funktionieren könnte. Aber bereits die Form dieses Psalms ist spannend, er ist ein Akrostichon. Das heißt, seine Verse sind in alphabetischer Reihenfolge verfasst; also für jeden hebräischen Buchstaben genau eine Zeile. Das an sich ist ja bereits ein schönes Bild: ein „ganzheitliches“ Danklied auf den Herrn, aber so richtig! Quasi 360 Grad, von A bis Z, von Anfang bis Ende. Mittendrin steht dann eben diese Aufforderung an die Menschen: „Meide das Böse, tue das Gute, suche Frieden und jage ihm nach!“ — „Wer möchte gern gut leben und schöne Tage sehen“, fragt Gott in dem Lied die Menschen. Um dann gleich die Bedienungsanleitung hinterher zu schicken: „Bewahre Deine Zunge vor Bösem und deine Lippen vor betrügerischer Rede“.

Ja, klar, natürlich: wenn ein alter jüdischer Liedermacher solche Worte dem lieben Gott in den Mund legt, dann klingt das alles wahnsinnig einfach. Dabei ist es eine Lebensaufgabe, die ich immer wieder neu anpacken muss! Nicht Rumlästern oder Verleumden, sondern ständig prüfen: tue ich das Richtige? Nützt das, was ich mache, auch anderen, schafft es Frieden? Die Mühe, den Frieden zu suchen, mag groß sein – der Dank und die Liebe Gottes für meine Mühen sind es aber auch.

„Suche Frieden“ – ich freue mich, dass uns diese knappe, aber wichtige Formel bis zum Katholikentag 2018 in Münster begleiten wird. Denn sie liefert garantiert auch schon gute Impulse für das ökumenische Miteinander im kommenden Jahr: bei Reformationsgedenken und „Kirchentag auf dem Weg“ 2017.

Hinweis:
Diesen Text habe ich für die “Leipziger Volkszeitung” geschrieben, in der er am 15. Oktober 2016 in der Kolumnen-Reihe “Gedanken zum Wochenende” erschienen ist.

Die Einheits-Nacht mit zwölfeinhalb

Es war der Abend des 2. Oktobers 1990. Damals war ich zwölf Jahre alt. Genauer: zwölfeinhalb, solche Details sind ja in dem Alter enorm wichtig. In meiner Heimatstadt Werdau lag Silvesterstimmung in der Luft. Es waren Böller zu hören, in den Kneipen wurde gefeiert. Alle warteten darauf, dass es endlich Mitternacht wird.

Ich durfte natürlich bis Mitternacht wach bleiben, und ich sah im Fernsehen die Bilder aus Berlin: Menschen, die sich – vor Freude weinend – in den Armen lagen, ein gigantisches Feuerwerk am Brandenburger Tor, die Politiker, wie sie alle sichtlich bewegt die Hymne sangen – die Nacht der Deutschen Einheit! Auch meine Eltern vorm Fernseher waren gerührt.

Ein Jahr zuvor hatte mich mein Vater mitgenommen zu einem dieser Friedensgebete mit anschließender Demonstration. Ich war zu jung, um ganz genau zu verstehen, worum es da ging. Was ich aber mit meinen elfeinhalb Jahren schon kapierte: das hier war wichtig. Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie, freie Wahlen – das waren keine leeren Begriffe, sondern schienen für die Großen ganz wichtige Dinge zu sein, die sie endlich wollten: für sich, für ihre Nachbarn, für alle Menschen in der DDR.

Welch spannendes Jahr folgte dann: plötzlich hatten wir samstags keine Schule mehr – eine Riesensache für einen Sechstklässler! Plötzlich gab es aber auch auf einmal die Note 6, und in der Kaufhalle stand jetzt Coca Cola im Regal. Die Erwachsenen beschäftigen ganz andere Dinge: die ersten freien Wahlen kamen – genau wie erste Sorgen um den Arbeitsplatz, die ersten unabhängigen Zeitungen, alles schien sich zu verändern, alles war im Umbruch.

Dann kamen der 3. Oktober 1990 und die Einheit. Bis heute sind meine Eltern voller Dankbarkeit, wenn sie sich an all das erinnern. Auch ich bin dankbar für dieses große Glück, diese wunderbare Fügung – Freiheit, Gerechtigkeit, Demokratie und freie Wahlen sind für mich, als inzwischen Zweiunddreißigeinhalbjährigen, Normalität und Alltag. Den Menschen, die damals auf die Straßen gegangen sind – und Gott – sei Dank.

Hinweis: Diesen Text habe ich für das Ressort „Religion und Gesellschaft“ der Leipziger Volkszeitung geschrieben, in der er heute in der Kolumnen-Reihe „Gedanken zum Wochenende“ erschienen ist.