Mein 2022: Lieblingskonzerte

Harry Styles, Hamburg

An manchen Stellen fühlte sich dieses Konzertjahr wieder an wie vor der Pandemie: ich blicke auf viele schöne, intensive Abende zurück und freue mich, dass die Clubs und Säle wieder im Regelbetrieb geöffnet sind und Konzerte wieder zum Alltag dazugehören. Dennoch stelle ich einige Unterschiede zu „früher“ fest: ich hab den Eindruck, dass Bands aus den USA sich deutlich schwerer tun, im Moment nach Europa zu reisen und hier zu touren – Gründe gibt es viele, von der schweren Planbarkeit aufgrund gestiegener Produktionskosten über Hygieneauflagen und Coronarisiken bis hin zum akuten Personalmangel in der Branche.

Doch auch an mir selbst stelle ich eine Veränderung fest. Ich gehe derzeit seltener zu Konzerten, überlege länger beim Kartenkauf, verwerfe die ein oder andere Reiseidee, wo ich vor drei, vier Jahren keine Sekunde mit der Buchung gezögert hätte. Liegt’s am Älterwerden? Oder sind einfach zu wenige von „meinen“ Acts gerade unterwegs? Hab ich gerade andere Prioritäten? Mal schauen, wo da in der nächsten Zeit die (Konzert-)Reise hingeht. Eine Top 10 vermag ich auch in diesem Jahr nicht zusammenzustellen, sehr wohl will ich aber die Momente aufzählen, die für mich die schönsten Konzertabende 2022 darstellten.

Julia Pietrucha, Sopot

Da war im März Konstantin Wecker im Leipziger Gewandhaus, wir erlebten einen vom Krieg in der Ukraine tief bewegten Künstler, der sein Publikum einmal mehr mit klaren Worten und wunderschöner Musik begeisterte. Da waren Pinegrove im Hamburger Hafenklang, denen die Fans an den Lippen klebten und die ein an Intensität kaum zu überbietendes Set ablieferten. Da war Harry Styles im Hamburger Volksparkstadion, der 50.000 Menschen in Verzückung versetzte. Da waren Bright Eyes im Berliner Astra, die endlich ihr 2020er Album live präsentieren konnten und mich sprachlos machten – für mich die eindrücklichste Show des Jahres.

Aber auch die Counting Crows begeisterten mich mit ihrer bemerkenswerten Spielfreude. Obwohl ich die Musik der Band seit den Neunzigern höre und mag, war das Konzert im Berliner Huxleys für mich die Livepremiere. Ganz zufällig erlebte ich zudem den Auftritt von Julia Pietrucha auf dem Pier in Sopot mit – die polnische Sängerin hatte mit ihrem folkigen Pop genau die richtige Musik für einen nebligen Spätsommernachmittag am Ostseeufer parat und sorgte für einen perfekten Musikmoment, den man so kaum hätte vorher planen können.

Counting Crows, Berlin

Auch bin ich dankbar über all die Musik, die ich im Rahmen der Leipziger Abendlobe in der Propsteikirche hören und sehen durfte (ich gehöre zum Team, das die Reihe kuratiert). Nicht zu verachten auch einige Livestreams, etwa von Dawes, den Spin Doctors, Goose oder Pinegrove. Und auch die Handvoll eigener Gigs (mit 2zueins!, solo oder zusammen mit Robert Kratzsch im Handgemenge-Duo) haben großen Spaß gemacht.

Ein gutes Musikjahr also, vielleicht mit weniger Konzerten, als mir persönlich lieb gewesen wäre. Dafür waren die Shows, die ich gesehen habe, durch die Bank klasse. Für 2023 hängen bereits ein paar Tickets an der Pinnwand, die mich vorfreudig nach vorn blicken lassen. Bestimmt werden es noch ein paar mehr.

Bright Eyes, Berlin

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2021, 2020, 2019, 2018, 2017, 2016, 2015, 2014, 2013, 2012201120102009.

Mein 2016: Lieblingskonzerte

Calexico, Leipzig, Juli 2016.

10 – Calexico, Leipzig, 21. Juli
Eine laue Sommernacht, Leipzigs mit Abstand schönste Open-Air-Location und dazu die zeitlosen Klänge von Calexico: es geht mir gut, es könnte weiß Gott schlimmer sein.

9 – Konstantin Wecker, Leipzig, 26. April
Gerade in diesem Jahr war es ein großer Segen, dass wir Menschen wie Konstantin Wecker haben. Diese Mischung aus Zorn, Tatendrang, Leidenschaft, Mitgefühl und Humor, die er so wunderbar verkörpert, scheint mir das einzig funktionierende Gegengift zu sein gegen all diesen neurechten, menschenfeindlichen Postfaktenpropagandascheiss unserer Tage. Ein großartiger Abend im Gewandhaus mit Langzeitwirkung.

The View, Leipzig, Februar 2016.

8 – The View, Leipzig, 3. Februar
Es ist ganz und gar nicht fair, dass bei diesem Konzert gerade mal zwanzig oder dreißig zahlende Gäste dabei waren. Im kleinen Saal des Täubchenthals spielte die Band um Stimm- und Songwritingwunder Kyle Falconer ein Set für die Ewigkeit. Britischer Poprock, wie er besser nicht geht – das nächste Mal kommt ihr alle mit, ja?

7 – Von Wegen Lisbeth, Leipzig, 7. Oktober
Ja, ich hab mich schon ein wenig alt gefühlt zwischen all den Teens und Twens in der Halle D vom Werk II. Aber zu keiner Sekunde hab ich bereut, dieses Konzert besucht zu haben. Die Berliner sind eine Hammerliveband mit großartigen Songs – und erfreuen uns hoffentlich noch lange, lange mit ihrer schlauen, großen Popmusik.

Ben Harper, Berlin, September 2016

6 – Ben Harper & The Innocent Criminals, Berlin, 25. September
Das haben sie gut gemacht: die Euphorie der Comebacktour von 2015 hinübergerettet in die erste „reguläre“ Albumtour nach der langen Pause. Ben und die Criminals, das ist auch 2016 und mit neuem Material eine höchst sehenswerte Kombination.

5 – Glen Hansard, Leipzig, 24. November
Einer der Abende, der Dir den Glauben ans Gute im Menschen zurück gibt. Was Hansard und sein überaus begabtes Dutzend Mitmusiker da auf der Bühne und später auch auf den Rängen des Gewandhauses veranstaltet haben, war ganz großes Kino. Und wie da ein sanfter Chor aus Band und Leipziger Publikum „So Long Marianne“-singend vorm gerade verstorbenen Cohen den Hut zog, werde ich mein Lebtag nicht vergessen.

Chris Barron, London, November 2016.

4 – Chris Barron, London, 13. November
Ob es das wert ist? Für eine gute Stunde Chris-Solo-Konzert einen Städtetrip nach London zu planen? Auch noch im ohnehin stressigen November? Und ob es das wert ist ist. Ein magisches, kleines Konzert, ein liebenswürdiges, wohlwollendes Publikum und wie so oft danach dann herrliche Gespräche mit Chris am Tresen. What a time to be alive.

3 The Tallest Man On Earth, Leipzig, 15. August
Immer noch Sommer, immer noch lau, schon wieder die herrliche Parkbühne in Eutritzsch. Diesmal aber keine Posaunen und Mariachiklänge, sondern die feinsinnigen, versponnenen und immer so ganz unmittelbar ans Herz gehenden Songs des Tallest Man On Earth. Ein ergreifender Abend.

2 Damien Rice, Vilnius, 4. Juli
Der botanische Garten von Vilnius im Regen. Es will partout nicht dunkel werden. Dann, gegen 10, kommt er endlich: der kleine Ire mit der großen Stimme. Und mit einer Show, die mich begeistert. Alleine mit einer Gitarre und ein, zweitausend Effekten und Loopdingsis. Genau die richtige Mischung aus Drama, Weltschmerz, Hoffnung und Humor. Plötzlich passt alles, sogar der Regen.

Gov't Mule, Berlin, Mai 2016.

1 Gov’t Mule, Berlin, 19. Mai
Dank Wecker, Barron, Harper, Hansard und Rice durfte ich in diesem Jahr so einige echte „Mund-bleibt-offen-stehen-und-Augen-werden-feucht“-Konzertaugenblicke miterleben. Doch am stärksten spürte ich dieses Glücksgefühl Mitte Mai im Huxleys in Berlin: die beiden Sets, die Warren Haynes und seine Kollegen da gespielt haben, waren einfach nur perfekt; der Run von Lay Your Burden Down über Far Away > Stratus > Whisper In Your Soul > Time To Confess bis Million Miles From Yesterday war schlichtweg nicht von dieser Welt.

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2015, 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

siebenSACHEN vom 1. März 2010

Konstantin Wecker über Käßmann und den „moralinsauren Mäuseaufstand

– Tolle Fotoserie der New York Times: „One in 8 Million“ – everyday people im Porträt

– Irgendjemand in New York nächste Woche (10. März)? Wenn ja, unbedingt hier hingehen (und mitschneiden!): Eric Schenkman & Aaron Comess (Spin Doctors) feat. Andy Hess (Gov’t Mule, Black Crowes), Rob Clores (John Popper, Black Crowes), Leslie Mendelson, James Maddock, Erik Lawrence u.a. Unfassbares Lineup, und das in der winzigen Rockwood Music Hall.

– Die Top-5-Gründe, warum Unternehmen sich vor Social Media fürchten (PR-Fundsachen.de)

– Vorerst kein Spotify-Start in Deutschland (Heise.de)

– Duett: Dave Matthews macht gemeinsame Sache mit Herbie Hancock (dmbnews.net)

Ben Harper & Relentless 7 – Why Do You Always Dress In Black / Red House

Notizen vom 2. April 2008

Here lies the shitty album: gibt’s demnächst keine schlechten Longplayer mehr?

– Bald gibts Toast: Neil Young bringt jetzt doch die bisher unveröffentlichte Toast-Session aus dem Jahr 2000 raus.

Plattenveröffentlichungen im Frühling – Pitchfork listet penibel auf.

– Calexico covern die Stones, Okkervil River Jandek und die Stereophonics Sinéad O’Connor, also Prince: Captain Obvious kloppt ein super Mixtape mit Coverversionen raus:

– War doch kein Aprilscherz: das nächste Weezer-Album wird tatsächlich „Weezer“ heißen, wie auch schon die alten Alben „Weezer“ und „Weezer“.

– Wurde aber auch Zeit: die ersten Bestenlisten des Jahres tauchen auf – hier: die besten Alben des ersten Quartals 2008.

Wenn der Sommer nicht mehr weit ist, und die Luft nach Erde schmeckt…: Frühling mit Konstantin Wecker.