Mein 2015: Lieblingskonzerte

Jed Appleton, Brighton 2015

10 – Jed Appleton, Brighton, 2. Februar
Angekündigt als support act für Stu Larsen, hat mich der junge Australier mehr begeistert als der eigentliche Star des Abends. Dieser noch ziemlich aufgeregte, quirlige Kauz hatte einfach eine Handvoll toller Songs, die er überaus engagiert in den ausverkauften Mini-Club hinaus bellte. Eine der angenehmsten Entdeckungen des Jahres.

9 – Gisbert zu Knyphausen & die Kid Kopphausen Band, Dresden, 23. Januar
Wer nicht weiß, welche Tragik dem Projekt „Kid Kopphausen“ innewohnt, möge googlen oder auch diese Website hier ein wenig gründlicher durchsuchen. Was bin ich froh, dass ich doch noch in den Genuss kam, die Band mal live zu sehen. Es war ein bewegender, schöner, bisweilen auch sehr lustiger Abend – nur halt leider, leider ohne Nils Koppruch.

My Morning Jacket, Boston 2015

8 – My Morning Jacket, Boston, 23. Mai
MMJ waren die Headliner am zweiten Abend des Boston Calling-Festivals im Mai 2015. Die rappelvolle City Hall Plaza erlebte eine wahrhaft große Rock’n’Roll-Show, bei der die Band sich einmal quer durch ihren üppigen Katalog spielte und nach über zwei Stunden Boston und seine vielen Gäste (ich war nicht der einzige, der eigens für das Festival in die Stadt gereist war) glücklich in die Nacht entließ.

7 – Niels Frevert, Leipzig, 22. September
Sowas nennt man wohl Kammer-Pop: Niels, der amtierende König im Lande der deuschsprachigen Liederschreiber, bat zur Audienz, nur sparsam begleitet durch Klavier und Cello. Leipzig war der Auftaktabend seiner Tour und der Maestro noch merklich aufgeregt ob der wohl noch nicht idealen Setlist. Dem Publikum war’s egal – wir genossen den wunderbar sanften Ritt einmal quer durchs Frevertsche Solowerk.

6 – William Fitzsimmons, Leipzig, 31. Juli
Eine gar nicht mal so laue Sommernacht an der wunderbaren Parkbühne in Eutritzsch: William Fitzsimmons war gekommen, um den brav lauschenden (ohne Quatsch, man hätte die berühmte Stecknadel fallen hören können) Leipzigern seine Lieder vorzusingen. Dabei verzichtet auch er auf alles, was allzu viel Lärm machen könnte. Was bleibt, ist die angenehme Erinnerung an ein ziemlich leises, aber umso intensiveres Konzert.

DMB, Düsseldorf 2015

5 – Dave Matthews Band, Düsseldorf, 1. November
Das Düsseldorfer Konzert steht hier stellvertretend für alle drei famosen Abende, die mir diese Band in diesem Herbst bereitet hat. Stets kratzten die Jungs an der 3-Stunden-Marke und spielten mich in die Glückseligkeit. Müsste ich einen Lieblingsmoment aus diesen drei Shows nennen, ich könnte mich nicht entscheiden zwischen dem unerwarteten „Typical Situation“ in München, dem ergreifenden „Drunken Soldier“ in Berlin oder dem epischen „Seek Up“ in Düsseldorf.

Jono Manson, Brooklyn 2015

4 – Jono Manson, Brooklyn, 28. Mai
Der letzte Abend meiner USA-Reise hätte perfekter nicht sein können: Jono Manson, eine der prägenden Gestalten der New Yorker Jamband-Szene in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern, kehrt für ein kleines, unaufgeregtes Solo-Set zurück nach Brooklyn. In einer winzigen Bar vor vielleicht 20 Leuten kriege ich eine Ahnung davon, wie das damals gewesen sein muss, in der Nightingale Bar oder dem Wetlands.

3 – Ben Harper & The Innocent Criminals, Boston, 23. Mai
Über zehn Jahre sind vergangen, seit ich Harper live mit den Criminals erleben durfte. Zwischenzeitig legte er die Band auf Eis, um sich mit den Relentless7 rockigeren Gefilden zuzuwenden; Anfang des Jahres folgte dann die frohe Kunde von der Wiedervereinigung. Was ich schließlich im Mai in Boston sehen und hören durfte, war unglaublich: eine Band wie eine Naturgewalt, immer noch und schon wieder.

Chris Barron, Sheffield 2015

2 – Chris Barron, Sheffield, 11.Juli
Der Flug nach Sheffield? Irgendwas um die 150 Pfund. Die Übernachtung im Hotel? 45 Pfund. Das Konzertticket? 10 Pfund. Der Moment, an dem Dein Lieblingssänger völlig abgehetzt in dem winzigen Rockschuppen ankommt, und als erstes lautstark Deinen Namen ruft, weil er sich kaum noch einkriegt vor Freude darüber, dass Du für diese eine Show angereist bist: unbezahlbar.

Blues Traveler, Englewood, NJ

1 – Blues Traveler, Englewood, 17. Mai
Seit mehr als 27 Jahren gehen Blues Traveler Jahr für Jahr auf Tour. Während ihre Studioarbeiten bisweilen hits and misses bereithalten, sind die Livequalitäten dieser Band über jeden Zweifel erhaben. So auch an diesem Abend in einem hübschen Provinz-Theater irgendwo in New Jersey: John Popper und seine Jungs machen mich einfach glücklich – und wenn ich für sie in die absurdesten Vororte der Vereinigten Staaten reisen muss, dann is das eben so.

Siehe auch:
Lieblingskonzerte 2014, 2013, 2012, 2011, 2010, 2009.

Mein 2012: Lieblingslieder

The View - Tacky Tattoo (Single)

10 Some Nights – Fun.
Well, that is it guys, that is all – five minutes in and I’m bored again. Ten years of this, I’m not sure if anybody understands …

9 Frei – Wolke
Du bist alleine, so alleine, ganz allein auf dieser Welt. Niemand da, der Dir sagt, wer Du bist, denn Du bist frei.

8 Emmylou – First Aid Kit
I’ll be your Emmylou and I’ll be your June if you’ll be my Gram and my Johnny too.

7 Songs für Liam – Kraftklub
Die Welt geht vor die Hunde, Mädchen, traurig aber wahr.

6 How – Regina Spektor
Time can come and take away the pain but I just want my memories to remain: to hear your voice, to see your face, there’s not ome moment I’d erase.

5 Going Home – Leonard Cohen
He wants to write a love song, an anthem of forgiving, a manual for living with defeat. A cry above the suffering, a sacrifice recovering but that isn’t what I want him to complete.

4 Queen Of Denmark – Sinéad O’Connor
Who’s gonna be the one to save me from myself? You better bring your stun gun and perhaps a crowbar.

3 Recognize My Friend – Blues Traveler
When we meet again and the music comes in I hope I recognize my friend.

2 Das Leichteste der Welt – Kid Kopphausen
Ich lerne langsam wieder laufen und sprechen, ich gebe den Dingen einen Namen. Ich sage meine Liebe, meine Lügen, meine Hoffnung, meine Schuld, meine Leidenschaft, mein Feuer, meine Wut und meine Ungeduld, mein Nein und mein Vielleicht und mein unbedingtes Ja.

1 Tacky Tattoo – The View
Sometimes, you feel you’re not so clever when you can’t even find a melody for your song.

Meine zehn Lieblingslieder 2012 gibt’s hier als Spotify-Playlist.

Mein 2012: Lieblingsalben

(umgetextete Psalmen aus dem Alten Testament zu sehr sanfter Gitarrenbegleitung)

10 Kraftklub – Mit K
Keine andere deutsche Band erlebte 2012 einen derartigen Dauerhype, keine andere deutsche Band hatte ihn aber auch dermaßen verdient. Die Chemnitzer veröffentlichten früh im Jahr „Mit K“, eine an schlauen Texten und zwingender Gitarrenarbeit wahrlich reiche Songsammlung. Das Album ging auf 1, die Band spielte gefühlt mehr Konzerte, als das Jahr Tage hatte – und selbst ein knappes Jahr nach „Mit K“ wirkt alles an dieser Band frisch und glaubwürdig.

9 Ben Kweller – Go Fly A Kite
Der Typ wirkt auch mit über 30 noch wie der seltsame Nerd aus der Parallelklasse, der in der Hofpause heimlich im Gebüsch eine raucht. Dabei ist Ben Kweller längst ein profilierter Songwriter und begnadeter Multiinstrumentalist. Nach Ausflügen in Richtung Country und ein paar Monaten Pause nun also „Go Fly A Kite“: kein einziger Füller, jeder Song geradeheraus, herzlich und einprägsam. Sachen wie „Gossip“ und „Jealous Girl“ möchte ich tagein, tagaus im Radio hören.

8 Regina Spektor – What We Saw From The Cheap Seats
Gerade mal 36 Minuten dauert das Vergnügen, das „What We Saw From The Cheap Seats“ geworden ist. Die in Moskau geborene Sängerin präsentiert auf ihrem sechsten Album eine Mischung aus neuen und alten Stücken, so hat sie etwa das grandiose „Don’t Leave Me (Ne Me Quitte Pas)“ noch einmal neu arrangiert und aufgenommen. Wieder ist es ihre famose Stimme, die mich in ihren Bann zieht. Wieder ist es das Fehlen jedweder Beiläufigkeiten oder Belanglosigkeiten, das dieses Album zu einem Genuss macht. Zum Nebenbeikonsum ganz und gar nicht geeignet.

7 Martin Rossiter – The Defenestration Of St. Martin
Spät im Jahr gesellte sich Martin Rossiter zu meinen Lieblingsalben-Machern hinzu. Der ehemalige Sänger der wunderbaren britischen Band Gene („Olympian“, „Fighting Fit“) hat nach sieben Jahren Musik-Pause ein eigenwilliges, aber bemerkenswertes Album aufgenommen. „The Defenestration Of St. Martin“ lebt über die meiste Zeit ausschließlich von Piano und Gesang, nur gelegentlich setzt der Walise andere Dinge wie Chöre oder Drums ein – immer nur dann, wenn sie ihm wirklich notwendig erscheinen. So hat er einen musikalisch sanften und lyrisch herausfordernden Liederzyklus abgeliefert, in dem ich mich in diesem Winter nur allzu gern verlieren möchte.

6 The View – Cheeky For A Reason
Da sind sie wieder, The View. Auch auf die Gefahr hin, dass meine kleine Seite irgendwann als deutsches View-Fanblog gehandelt wird: auch das 2012er Album der Schotten ist wieder ein großer Wurf. Unerwartet schnell nach dem sehr üppigen „Bread And Circuses“ veröffentlicht, geht es auf „Cheeky For A Reason“ wieder rauer und reduzierter zu, was die Produktion betrifft. Keineswegs aber beim Songwriting: diese elf famosen Popsongs haben mich durch das gesamte zweite Halbjahr 2012 begleitet, wofür ich den vier Herren zutiefst dankbar bin.

5 Dave Matthews Band – Away From The World
Mit deutlich kleinerer PR-Maschine als beim Album drei Jahre zuvor lieferte die Dave Matthews Band 2012 eine neue Platte ab. Dabei galt die schon als Sensation, ohne dass man nur einen einzigen Ton gehört haben musste. Immerhin war erstmals seit 2000 wieder Steve Lillywhite Produzent der Band; jener Mann, der auch schon U2 groß gemacht und die ersten drei DMB-Major-Releases produziert hatte – allein dieser Name sorgte für massig Vorschusslorbeeren. Was die Fans zu hören bekamen, erfüllte die fast schon unmenschlich hohen Erwartungen überraschenderweise voll und ganz. „Away From The World“ ist keine reine Song-Ansammlung, sondern eine meisterlich kompilierte musikalische Reise. Statt „Hits“ gibt’s ein fünfzigminütiges Epos wie aus einem Guss.

4 The Avett Brothers – The Carpenter
Zum zweiten Mal produziert Rick Rubin die Gebrüder Avett, und erneut geht das richtig gut. „The Carpenter“ besticht durch grandioses Songwriting zwischen Folk, Rock, Country und Pop – und die Avett Brothers singen und spielen einmal mehr, als ginge es um ihr Leben.

3 Kid Kopphausen – I
Die tragischste Veröffentlichung des Jahres. Als „I“ herauskam, waren wir alle begeistert, verzückt, ja geradezu euphorisch: Nils Koppruch und Gisbert zu Knyphausen, a match made in heaven. Tolle Stimmen, tolle Songs, ein Gesamtkunstwerk. Und dann, lächerlich wenige Wochen nach Veröffentlichung, schläft Koppruch einfach so ein. Bis heute macht mich sein Tod ratlos und traurig. Wer weiß, ob ich „I“ jemals wieder unbeschwert und ohne Wehmut hören kann. Dabei gehört dieses Album gehört, wieder und wieder und wieder. Mach’s gut, Nils.

2 Blues Traveler – Suzie Cracks The Whip
Unerträglich lange hat es gedauert, bis Blues Traveler ein neues Album fertig hatten – immerhin vier Jahre! Das lange Warten wurde aber reich belohnt. „Suzie“ ist eine Rückkehr zur Höchstform. Ging es in der letzten Zeit doch etwas behäbig und gesetzt zu bei den Herren um John Popper, so sind sie jetzt, in ihrem 25. Bandjahr, direkter, unmittelbarer und lauter denn je. Die zahlreichen Co-Autoren, die gewitzten Produzenten und nicht zuletzt natürlich die spielfreudigen Bandmitglieder hauchen dem Projekt Blues Traveler neues Leben ein. Das beste der Band seit dem 2003er Überalbum „Truth Be Told“. Things are looking up.

1 Sinéad O’Connor – How About I Be Me (And You Be You)?
Noch länger, nämlich fünf Jahre, hat es gedauert, bis Sinéad O’Connor mal wieder mit einem neuen Album um die Ecke kommt. Waren das 2007er „Theology“ (umgetextete Psalmen aus dem Alten Testament zu sehr sanfter Gitarrenbegleitung), das 2005er „Throw Down Your Arms“ (Reggae-Cover) und das 2002er „Sean-Nos Nua“ (sanft modernisierte Irish-Folk-Standards) eher Alben für echte O’Connor-Liebhaber, so ist „How About I Be Me…“ die erste „klassische“ Pop-CD der Irin seit dem 2000er Meisterwerk „Faith And Courage“. Die Platte wirkt wie eine Essenz ihres Schaffens, stimmlich ist sie in Bestform und nach wirklich jedem Lied habe ich ein zufriedenes, glückliches Grinsen im Gesicht. Seit über 20 Jahren begleitet mich die Musik dieser Frau durch’s Leben, in diesem Jahr intensiver denn je.