Es sind die kleinen Begegnungen und Momente, die eine Reise zu etwas Besonderem machen. Mein zehntägiger Trip durch Israel und Palästina kurz vor Ostern war derartig voll von solchen Momenten, dass es mir schwer fällt, meine Gedanken zu sortieren. Aber bevor mich der Alltag wieder fest im Griff hat und mir dann Zeit und Muße fehlen, das niederzuschreiben, was mich im Heiligen Land fasziniert und bewegt hat, möchte ich hier über die Kar- und Ostertage ein paar ungeordnete Notizen und Fotos ablegen und konservieren.
Am See Genezareth

Kommt man an den See Genezareth, ist man erstmal sprachlos. Rund um den See wimmelt es von exotischen Pflanzen, putzigen Tieren und frischem Leben, das Gewässer selbst wirkt erhaben und mächtig. Kein Wunder, dass hier seit Tausenden von Jahren Menschen leben, wohnen und arbeiten. Wie eben auch Jesus, oder die Fischer, die er zu seinen Jüngern machte.
Der erste Eindruck vom See Genezareth: das ist das Paradies. Doch es dauert nur wenige Stunden, bis man auch die andere Seite dieser Landschaft kennenlernt. Aus einem lauen Lüftchen wird ein ausgewachsener Sturm, das Wasser wirkt nicht mehr erhaben, sondern rau und unberechenbar. Und plötzlich kapiert man die eine oder andere Stelle in der Bibel, plötzlich sieht man sie beinahe vor sich, die in Seenot geratenden Fischer, die dem See und seiner Naturgewalt ausgesetzt sind.
Es geht ums Wasser

„Wasser. Es dreht sich fast alles ums Wasser.“ Von allen Versuchen, mir die verfahrene politische Situation zwischen Israel, seinen Nachbarländern und den Palästinensern erklären zu lassen, war der unseres israelischen Tourguides der pragmatischste. Israel sei angewiesen auf die spärlichen Wasserquellen im Norden wie den See Genezareth und die Golan-Höhen, um das ganze Land mit Wasser zu versorgen. Ein Kanal, der Trinkwasser aus dem See Genezareth bis in die Wüsten des Südens transportiert, wird von Polizei und Militär bewacht wie ein Hochsicherheitstrakt – zu groß ist die Angst vor Anschlägen und Sabotage. Wer den Dauer-Konflikt in der Region verstehen will, dürfe den Aspekt Wasserversorgung keinesfalls außer Acht lassen. Klingt soweit nachvollziehbar.
Kommt man dann aber nach Palästina, dann erfährt man auf dieser „anderen Seite“, dass Israel systematisch versucht, die natürlichen Wasservorräte der West Bank zu kontrollieren. Die Checkpoints der Israelis verlaufen so entlang von Seen und Teichen, dass die Palästinenser keinen oder nur erschwerten Zugang zu diesem Wasser haben. Als wäre Wasser nicht auch für Palästina essentiell, als hätte Israel ein alleiniges Anrecht auf diese lebensnotwendige Ressource.
In fremden Heiligtümern

So müssen sich meine Freunde fühlen, wenn ich sie in einen katholischen Sonntagsgottesdienst in einer deutschen Kirche schleifen würde. Ich stehe an der Westmauer in Jerusalem (in Deutschland sagt man oft Klagemauer zu ihr) und beobachte die frommen Juden bei ihren Gebeten.
Ich habe keine Ahnung, was die da tun. Weiß nicht, wie die Rituale funktionieren oder was sie zu bedeuten haben. Ich sehe orthodoxe Juden und liberale, Menschen aus Israel und aller Herren Länder. Das hier ist ein heiliger Ort für Sie. Zielstrebig gehen sie zu den Bücherregalen in den Räumen, die als Synagoge genutzt werden, greifen sich ihre Schriften und… ja, klagen und beten dann an dieser weltberühmten Mauer.
Jeden meiner Schritte überlege ich mir ganz genau. Sie lassen mich ungehindert zu sich, an die Mauer, in die Synagoge. Sie lassen zu, dass ich ihnen zuschaue bei ihrem Gebet. Sie beachten mich gar nicht, aber dennoch fühle ich mich in diesem mir fremden Heiligtum willkommen. Wir Christen sprechen bei den Juden gerne von unseren „älteren Brüdern und Schwestern“ im Glauben. Das sagt sich so leicht. Hier bekomme ich erst mal mit, wie wenig ich über meine älteren Geschwister weiß. Aber ich spüre, wie wichtig ihnen ihr Glaube ist – Ehrfurcht gebietend wichtig.