Was sind Sakramente, und wie unterscheidet sich der katholische Sakramenten-Begriff vom evangelischen? Ende letzten Jahres wurden meine Kirchenredaktionskollegin Friederike Ursprung (evangelisch) und ich (katholisch) gebeten, genau dies mal aufzudröseln und aufzuschreiben. Das Ergebnis: zwei kurze Texte, in denen wir versuchen, die jeweiligen Sichtweisen zu umreißen. Beide Artikel sind Anfang März im Leipziger Kirchenblatt Die Glocke (Schwerpunktthema Taufe) erschienen.
Sakramente evangelisch: Taufe und Abendmahl
„Sakramente sind Zeichen, durch die Gott mit den Menschen in Verbindung tritt“, heißt es auf der Internetseite der Evangelischen Kirche in Deutschland. Das lateinische Wort sacer (heilig) steckt darin. Während die katholische Kirche sieben solche sichtbaren Zeichen oder Handlungen kennt, die für eine unsichtbare, göttliche Wirklichkeit stehen, ließ die Reformation nur die Taufe und das Abendmahl als Sakramente gelten.
Denn über sie bezeugt die Bibel ausdrücklich, wie Jesus sie einsetzt – wie er also die Jünger und alle seine Nachfolger auffordert, sie in alle Zukunft weiterzugeben und zu wiederholen: Für das Abendmahl ist das in den Passionserzählungen aller Evangelien belegt, für die Taufe am Ende des Matthäusevangeliums. Die biblische Belegbarkeit ist also ein Maßstab dafür, was aus evangelischer Sicht ein Sakrament ist. Entscheidend ist außerdem: Ein Sakrament ist mehr als die äußere Handlung und die deutenden Worte, mehr also als das Wasser über den Kopf des Täuflings und mehr als Brot und Wein oder Saft. Es ist die Aufnahme in die christliche Gemeinschaft in der Taufe, und im Abendmahl die Gemeinschaft mit dem gekreuzigten und auferstandenen Christus und mit allen Glaubensgeschwistern weltweit.
So sind Sakramente Ausdruck des Glaubens. Wer ein Sakrament empfängt, sagt Reformator Philipp Melanchthon, dem verheißt es Heil und Gnade. Dazu kommt es auf die Haltung aller Beteiligten an. Denn ein Sakrament ist keine magische Handlung, durch die sich Gottes Zuwendung anknipsen ließe wie durch irgendeinen himmlischen Schalter. Es setzt den Glauben voraus, stärkt ihn aber auch immer wieder. Ohne ihn bliebe nur ein leeres Hokuspokus-Ritual.
Aber auch die Riten, die in anderen Konfessionen als Sakramente gelten, in der evangelischen aber nicht, haben hier dennoch ihren Platz. Beichte und Buße nennt Melanchthon in seiner Verteidigung des Augsburger Bekenntnisses ebenfalls ein Sakrament. Die reformierten Kirchen sehen das allerdings anders. Auch die Einsetzung ins Predigtamt gilt als „eine herrliche Zusage Gottes“. Die Ehe nennt Martin Luther zwar ein „weltlich Ding“ – doch auch er und seine Katharina haben ihre Ehe ja unter Gottes Segen gestellt, wie andere evangelische Paare auch. Firmung (oder Konfirmation) und Krankensalbung sind nicht aus der Bibel und Gottes Gebot begründbar, also auch keine Sakramente – aber es gibt doch gute Gründe, sie auch in evangelischen Kirchen zu pflegen.
Friederike Ursprung, evangelische Kirchenredakteurin
Sakramente katholisch: An den Landmarken des Lebens
Die katholische Kirche versteht Sakramente als „auf Jesus Christus zurückgehende Zeichen- und Symbolhandlungen, die auf sinnlich wahrnehmbare Weise die Gnade Gottes vermitteln“ – diese kompakte Kurzdefinition liefert das „Theologische Online-Wörterbuch“ der Katholischen Akademie Domschule in Würzburg. Sakramente verdeutlichen, dass das Miteinander von Gott und den Menschen durch Rituale, Worte und symbolische Handlungen geprägt ist. Auf der offiziellen Internetseite der katholischen Kirche ist von „leibhaftigen Begegnungen mit Gott“ die Rede.
So haben Sakramente auch aus Sicht der römischen Kirche ihre Mitte, ihre Wurzel im Wirken Jesu Christi. Taufe und Eucharistie, ganz klar. Aber nach katholischem Verständnis gehört eben auch die mit der Taufe in direktem Zusammenhang stehende Firmung dazu, gilt sie den Gläubigen doch als Vollendung der Taufgnade. Dass Priesterweihe, Krankensalbung sowie Versöhnung (für mich der schönere, weil vollständigere Begriff für Buße) zu den Sakramenten zählen, kann damit begründet werden, dass Jesus seine
Apostel unmittelbar mit diesen Handlungen beauftragt und Petrus konkret zu seiner Nachfolge berufen hat.
Wer so argumentiert, muss freilich auch den Sonderstatus der Ehe erwähnen und sich mit ihm auseinandersetzen, denn hier fehlt auch durch die „katholische Brille“ der direkte Bezug zu Jesus Christus – dieses Sakrament spenden die Eheleute einander und bitten um die Gnade und den Segen Gottes. Und doch vertrauen katholische Christen darauf, dass die Bibel die Ehe als etwas Heiliges, Unauflösliches betrachtet, vergleicht Paulus im Brief an die Epheser doch die Beziehung zwischen Christus und der Kirche mit der Ehe: „Ihr Männer, liebt Eure Frauen, wie Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat“ (Eph 5,25).
Die Liebe Gottes, die den Menschen zuteil wird, übersteigt das menschliche Fassungsvermögen. Durch die Sakramente kann ich mir etwas von dieser Liebe verdeutlichen, erhalte ich eine Ahnung von der nicht enden wollenden Zuneigung Gottes mir und meinen Mitmenschen gegenüber. Deshalb begegnen mir die Sakramente an den wichtigsten Landmarken des Lebens: bei der Geburt, in der Jugend, mitten im Leben, im Alter, in Momenten des Zweifels oder der Freude – sowie immer wieder neu in der Feier der Heiligen Messe.
Daniel Heinze, katholischer Kirchenredakteur